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Wir haben im letzten Abschnitt sehr weit in die wirtschaftswissenschaftliche und betriebssoziologische Literatur ausgeholt, um aus dem Kontrast einen breiteren Informationsbegriff zu entwickeln. Wir sind der Meinung, daß betriebliche Kommunikation nicht zerlegbar ist in soziale Kommunikation unter den Mitarbeitern, die als relevant für die "job satisfaction" geduldet wird, und betriebliche Daten, die als Kontroll- und Planungsinstrument Verwendung finden.

Vielmehr ist der fachkundige Dialog als interpretierende Tätigkeit ein kommunikatives Paradigma ersten Ranges (vgl. die Übersicht von Schreyögg in Steinmann 1982, 105). Nicht nur durch damals fehlende technische Medien (bei den ersten Untersuchungen), sondern sicherlich wesentlich aus Notwendigkeit nimmt die direkte mündliche Kommunikation einen großen Anteil der Arbeitszeit von Managern ein (Neuberger 1973, 21):

  (S.137)
 
 
 
Autoren Personen verbale Kontakte  / Arbeitszeit
Burns 1954
4
80%
Dubin/Spray 1964
8
54%
Horne/Lupton 1965
66
63 %
Steward 1967 
160
56%
Kevenhörster 1972 
194
42-50%

 

Für den wissenschaftlichen Sektor hat Hinrichs (Hinrichs 1964) bei 232 englischsprachigen Informanten folgende durchschnittliche Verteilung der kommunikativen Aktivitäten je 8 Std.-Tag festgestellt:
 
 
Keine Kommunikation  39%    
Kommunikation total 61    
     davon sprechen/hören   35%  
          davon spontan und      
          informell      19%
          Besprechungen      10%
          Telefon   6%
     schreiben   16%  
     lesen   10%  
Summen 100% 61% 35%

Die innerbetriebliche Fachkommunikation und die Information von und nach außen besteht gegenüber den operationalisierten Reduktionen eben auch aus dem Laborgespräch, der wöchentlichen Management-Besprechungsrunde, der Nachfrage des Abteilungsleiters beim Schichtführer, der innerbetrieblichen Ausbildung, der imagepflegenden und werblichen Publikationen nach außen, und vielem anderen, dessen Wert als planungsrelevante Information kaum zu bestreiten ist.
Krause (Krause 1972, 146) führt unter inhaltlichem Interesse etwa als typischen Fall der Bearbeitung eines Kundenauftrags folgende (S. 139) Schritte auf, die fast ausnahmslos mit fachlicher, aber nicht faktenorientierter innerbetrieblicher Kommunikation verbunden sind: In allen genannten Fällen ist die Kommunikation von ihrer Struktur und von den Übertragungsprozessen her alles andere als das Übermitteln eines Werts.


(S. 138)


BESTELLUNG

 
Bearbeltung der Bestellung
  1. Posteintragung und Bestätigung des Eingangs
  2. Einholung von Auskünften über unbekannte Besteller
  3. Prüfung auf Übereinstimmung mit abgegebenen Angeboten und Klärung der Bestellung, insbesondere durch Einsetzen von Werkbezeichnungen (Typen-Angaben, Preislisten-Nr usw. )
  4. Klärung der Liefer- und Versandvorschriften sowie der Zahlungsbedingungen
  5. Ausschrelben des Kundenauftrages mit Festlegung der Auftragsnummer und Unterrichtung der beteiligten Betriebsstellen
  6. Auftragsbestätigung

 
Kundenauftrag

 
Bearbeitung des Kundenauftrags
Klärung des Auftragserledigung, d.h. Auftrag wird ausgeführt durch 
 a) Lagerversandauftrag b) Fertigungsauftrag   c) Einkaufsauftrag
 - Nach Entscheidung der Art der Erledigung -
(sowelt erforderlich)
1 . Feststellen des Lagerbestandes 

2. Feststellung der Versandtermine

1. Zusammenstellung der 
technischen Sonderwünsche des Kunden

2. Angabe der für die Fertigung erforderlichen Konstruktionsunterlagen, Prüfung auf Vollständigkeit, Veranlassung etwaiger Neukonstruktionen und Abänderungen

3. Feststellung der Liefertermine für Werkstatt. Montage, Abnahme und Versand 

1. Einsicht in Bezugsquellennachweise

2. Anfragen an Zulieferer aufgrund der einzelnen Angaben im Kundenauftrag

3. Überwachund des Eingangs der Angebote 

4. Zusammenstellung der Angebote

5. Vergleich der Angebote und Entscheidung

  4. Ausschreiben des Fertigungsauftrags, Unterrichtung der beteiligten Betriebsstellen 6. Ausschreiben des Einkaufsauftrags, Unterrichtung der beteiligten Betriebsstellen

 
 
LAGERVERSANDAUFTRAG FERTIGUNGSAUFTRAG  EINKAUFSAUFTRAG

 

Abb. 17. Arbeitsschritte einer Bestellung (Krause)



(weiter S. 139)


Daß darüber hinaus zwischen einzelnen Abteilungen des Betriebs, zwischen Gruppen und zwischen Fachleuten etwa des Rechnungswesens und der Entwicklung nicht nur eine untcrschiedliche Terminologie und ein anderer Jargon geredet wird, sondern daß sie u. U. sogar länger diskutieren müssen, um sich ihre wechselseitigen Standpunkte begreiflich zu machen, ist eine linguistische wie auch betriebspraktische Binsenweisheit. Sie soll im folgenden (S.146 f.) als "betriebliche Codierungsschwelle" behandelt werden.

Die je arbeitsgerechte Zergliederung und Zubereitung von Informationen selbst im Bereich "harter" Daten wird deutlich, wenn man sich die allein für einen Fertigungsauftrag notwendige Zahl von speziell formatierten Unterlagen vor Augen führt (Krause 1972, 44, vgl. auch Pelka 1978) (in alphabetische Reihenfolge gebracht):

 
Akkord-Schein
Arbeitsfolgekartei
Arbeitsplan
Arbeitsverteilkartei
Belastungsschein
Bestellung
Entnahme-Belastungsschein
Fertigungsplan
Ist-Stand-Kontrolle
Laufkarte
Maschinengruppenbild
Maschinenbelegungsplan
Materialbereitstellungsschein
Materialdisposition
Materialentnahmeschein
Materialtermine
Pendelkarte
Stückliste
Stammkarte
Terminkarte
Wareneingangsschein
Werkstattkarte
Zeichnung
Zentrale Verteilkartei
Wir hatten bisher die Verkürzung des Informationsbegriffs vor allem vom Inhalt her aufgezeigt. (S.140)

Sieht man aber einmal von der Frage ab, welcher Art die Informationen sind und wie sie formatiert sind, so ist auch die Nutzbarkeit vorhandener Informationswege nicht gleichartig.

Ein bezeichnendes Licht auf die arbeitsorientierte Kommunikation selbst in der betrieblichen Kleingruppe wirft die Untersuchung von Lickert (in Neuberger 1973, 32), der folgende Selbst- und Fremdeinschätzung der Kommunikationsbarrieren festgestellt hat:
 
 
Aussage  Vorgesetzte über  Meister über sich Meister über Untergebene  Untergebene über sich
  "Kann frei über Arbeitsangelegenheiten mit Vor-
 gesetzten reden'
90%   57% 85% 51% 
  "Kann ziemlich frei über Arbeit mit dem Vorgeserzten
 reden"
 10% 23%   15% 29%
  "nicht besonders frei . . ."  - 10%   14%
 ". . . überhaupt nicht frei . . ."  - - 6% 

 

Nimmt man hierzu die o. a. (S.139) Verständigungsschwierigkeiten linguistischer Art sowie die zweifellos vorhandenen Probleme der korrekten Dekodierung von (besonders sprachlicher) Information aus dem "Kontext" (S.130), so wird klar, daß man die betriebliche Kommunikation in einem revidierten Ansatz vor allem unter folgenden Aspekten studieren muß:
 

- Wie ist Information zugänglich?
- Wie wird Information kommentiert (implizite Verstehensanleitungen etc. ) ?
- Welche Verstehensbarrieren beinhaltet ein Kommunikationsweg (Codierungsschwellen)?
- Wer löst Informationsaustausch aus (Initiative)?
- Wie manifestiert sich die Partnereinschätzung?
- Welcher Art sind "Lese"- und Verstehensgewohnheiten gegenüber den einzelnen Medien
           (Texte, Zahlen, Grafiken, Gesprochene Sprache, Telefonat etc.)?               (S. 141)
- Wie frequent werden die Kommunikationswege in welchen Richtungen genutzt?
- Mit welcher Absicht werden welche Kanäle gewählt?
Diese alles andere als vollständige Auflistung stellt Fragen aus dem Gebiet der Pragmatik, die - das muß ebenso deutlich gesagt werden - auch von der Fachsprachenforschung noch nicht angegangen wurden
 


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