zum vorigen Textabschnitt

5.2.2 Betriebspsychologie
 

Seitdem Blum und Naylor 1968 wichtige Grundlagen moderner Betriebspsychologie vorgelegt hatten, wurden die dort aufgeführten Bedingungen sprachlicher betrieblicher Kommunikation in vielen Variationen weiterzitiert. Demnach ist für eine ungestörte Kommunikation entscheidend (Blum Naylor 1968, 433 ff .):

Neben diesen grundlegenden, wenn auch keineswegs systematischen Aussagen, wurde etwa von Franke (Franke 1975) beigetragen, daß die Problemlösestrategien, die Art der Formulierung in der "Sprache der Situation" (S.148, 154) eine wesentliche Rolle spielt. Gerade dieser über die bisherigen Aussagen weit hinausführende Ansatz wird aber nicht weiter ausgeführt. Auch die Untersuchungen von Dridse (Dridse 1975) führen kaum weiter aus, was an interessanten Fragen der Informationshaltigkeit von Texten angesprochen wird. Als semiotische Gruppe wird eine Gemeinschaft gleicher Terminologie und gleicher sprachlich-kommunikativer Fähigkeiten herausgestellt, das semiotische Niveau bestimmt sich nach der Fähigkeit konzeptuelle und sprachliche Kategorien zu integrieren. Leider ist die Studie zu wenig fachsprachlich (S. 132) (Wirtschaftsbericht einer Zeitung), um in größerem Umfang einschlägig zu sein. Zudem ist die Untersuchung linguistisch wenig tragfähig, wenn auch sozialwissenschaftlich recht zuverlässig angelegt. Vickers (Vickers 1974, 165 f.) weist unter dem allgemeinen Stichwort des Konfliktmanagements darauf hin, daß in persuasiven Situationen in der betrieblichen Wirklichkeit immer auf der Ebene der kontroversen Frage, aber auch auf der Ebene der Regelung des zukünftigen Verhältnisses der  Beteiligten argumentiert werde, ja, daß diese zweite Ebene die erste oft stark überlagere.

Zwei aus der Sicht der Fachsprachenforschung wesentliche Verkürzungen des Problemfeldes treten in der Literatur zur Betriebspsychologie immer wieder auf:

1) Die Perspektive ist durchgängig orientiert an Management und der sachlichen Optimierung des Betriebs.

2) Verbesserung der Kommunikation wird vorwiegend beschränkt auf idealisierte oder technische Aspekte wie Durchgängigkeit des Kanals, Verständlichkeit, Erreichbarkeit etc.

In sehr praktisch ausgerichteter Literatur (etwa Korff 1974) wird entsprechend alles, was nicht sowohl betriebsfunktional als auch eindeutig codiert ist, als nichtrational zunächst ausgegrenzt. Daß später das Nicht-Rationale über den Begriff "Kreativität" wieder zu Ehren kommt, zeigt aber die Hilflosigkeit im Umgang mit diesen Begriffen als eine ausgewogene Beurteilung von menschlichem arbeitsgerichtetem Kommunikationsverhalten.

Am weitesten geht auf sprachliche Phänomene dann Hacker (Hacker 1978) ein. Zwar ist sein Ausgangspunkt sozialistisch und aus der Sicht der Arbeiter formuliert, sehr schnell schwenkt der Autor aber dann in die Optimierungsthematik ein und konzentriert sich

"- auf die kognitive Funktion, d. h. die Rolle sprachlicher Tätigkeit in der differenzierten Erkenntnis der Umwelt, und
  - die interne regulative Funktion, d. h. die ausführungsregulatorische Seite der Umsetzung von Informationen in Anweisungen oder Selbstbefehle und Aktionsprogramme sowie deren Verwirklichung und Kontrolle." (S. 143)

Damit ist die Darstellung eingeschränkt auf die praktischen Fragen der Informationsverarbeitung von Termini, was Erwartung, Behalten und Erfassen angeht, sowie auf verbale Selbstinstruktion und inneres Sprechen als Optimierungsmittel mechanischer Arbeit.

Die zunächst so vielversprechende Liste von Variablen sprachlicher Tätigkeit in Arheitsprozessen wird später nicht weiter ausgeführt:
 

"ln Abhängigkeit vom Ablauf des Arbeitsprozesses können innerhalb von Kommunikationszielen, Zeichensystem und Kommunikationsnetz qualitative und quantitative Formveränderungen der Sprechtätigkeit auftreten:

Je nach den Erfordernissen der Arbeit variieren:

- die allgemeine Häufigkeit von Nachrichten während der Arbeit
- die Wortmenge
- die Dauer der Sätze.

Die qualitativen Veränderungen betreffen:

- den Wortschatz (Fachtermini und Verschmelzungen von Allgemeinsprache und Fachwortschatz);
- phonetische Veränderungen durch arbeitsbedingte Modifikation von Tempo, Intensität oder Intonation;
- morphologisch-syntaktische Veränderungen (Substantive, Adverbien oder Adjektive nehmen Imperativwert, Numera [sic!], Adjektive Substantivwert an; unvollständige "elliptische" Sätze mit dem Charakter der Tätigkeitsaufforderung)"
 

(Hacker 1978, 161).

Insgesamt stellt Hacker aber dennoch in der Betriebspsychologie einen erheblich reflektierteren Forschungsstandpunkt dar, als das auf Management ausgerichtete Gros der Arbeiten, die über die bekannte Teilung in präzise optimierbare Arbeitskommunikation einerseits und wegen des Betriebsklimas zu duldender Sozialkommunikation andererseits nicht hinauskommen.

Realistische Arbeiten müssen zwar die betriebspsychologische Literatur berücksichtigen, aber zunächst die ganze Breite und Vielfalt betrieblicher Kommunikation einbeziehen und systematisch bearbeiten.     (S. 144)

Ein erster Schritt dazu könnte sein, eine vergleichbare Repräsentation (Darstellungsform) verschiedener Kommunikationsprozesse herzustellen, so daß man Typisierungen von kommunikativen Organisationsformen herausarbeiten und z.B. ihre Wirkung und Situationsangepaßtheit vergleichen kann. Nach einem solchen Repräsentationsschema könnten auch der Einsatzort und die Aufgaben eines sinnvoll eingesetzten rechnergestützten betrieblichen Informationssystems gcplant werden, ohne daß man der EDV-Euphorie verfällt, alle wesentlichen Kommunikationsprozesse könnten bzw. sollten über Bildschirm und Tastatur oder gar Sprech-Ein/Ausgabe abgewickelt werden.

Im folgenden soll eine formale Sprache vorgestellt werden, aus deren Elementen Repräsentationskonstruktionen (Boley 1976) aufgebaut werden können, die wir ,,Kommunikogramme'' nennen wollen. Es handelt sich um eine Art vereinfachter und spezieller Petri-Netze (Reisig 1982).


    zum nächsten Textabschnitt


     zur Inhaltsübersicht