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(S. 130)



5.2 Betriebliche Kommunikation

In diesem Kapitel wollen wir Vorschläge unterbreiten, wie ein (im Sinne linguistischer Pragmatik) pragmatischer Fachkommunikationsansatz als ein Korrektiv für bisherige betriebswirtschaftliche und industriesoziologische Interpretationen der betrieblichen Kommunikation auszubauen sein könnte. Dabei schlagen wir einen Darstellungsformalismus für Kommunikation, ein Kommunikogramm vor. Im zweiten Teil wird eine Fallstudie für die Fachkommunikation in der Forschungsorganisation vorgelegt.

Neuere wirtschaftswissenschaftliche Fragestellungen im Bereich Planung und Kontrolle (Zur historischen Entwicklung vgl. Ansoff 1981) sowie in der Organisationstheorie (vgl. Grochla 1975) haben gezeigt, daß der innerbetrieblichen wie außerbetrieblichen Information bei der Betriebsführung eine ganz entscheidende Qualität zukommt. Grochla und Welge (in Grochla 1975, 93) differenzieren die Kommunikation dabei grob wie folgt:
 


Abb.15. Betriebsumgebungen (Grochla/ Welge)

Unter Kontext verstehen sie dabei den Markt, die Konkurrenz etc., die Systemstruktur ist die des eigenen Betriebs. Sie stellen dabei ihrerseits die bisherige Sicht der Informationsprobleme in Frage.

Auch für eine genauere linguistische Untersuchung der Fachkommunikation Maßstäbe setzend ist der Versuch von (S. 131) Hinings/Pugh/Hickson/Turner (in Grochla 1975, 106-117), Organisation und die dabei auftretenden Kommunikationsprozesse vor dem Hintergrund der folgenden sechs Dimensionen zu betrachten
 

  1. Die Spezialisierung, die die Arbeitsteilung innerhalb einer Organisation widerspiegelt;
  2. Die Standardisierung als das Ausmaß, in dem Tätigkeiten und Rollen prozeduralen Regeln unterworfen sind;
  3. Die Formalisierung, die danach unterscheidet, inwieweit Kommunikation und Verfahrensweisen in einer Organisation schriftlich niedergelegt sind;
  4. Die Zentralisation, die den Ort der Autorität für Entscheidungen betrifft, die für die gesamte Organisation von Bedeutung smd;
  5. Die Konfiguration, bezogen auf die Organisationsform;
  6. Die Flexibilität, als Ausdruck der Veränderung der Organisationsstruktur.


Im Sinne einer handlungsorientierten Interpretation höchst bedeutsam ist die dann folgende nach Wichtigkeit geordnete Liste von empirisch festgestellten 16 Spezialtätigkeiten der Organisation (außer der primären Arbeit), die unter den o.g. sechs Dimensionen einen Gliederungsvorschlag zu Punkt (1) darstellen.

  1. Beschaffung und Kontrolle materieller Einsatzgüter
  2. Aufzeichnung und Kontrolle von Finanzmitteln
  3. Erhaltung und Ausbau materieller Hilfsmittel
  4. Transport von Fertigprodukten und Hilfsmitteln
  5. Betreuung und Erhaltung der Beschäftigten
  6. Qualitätskontrolle (...)
  7. Regelung und Koordination des Arbeitsflusses
  8. Disposition, Distribution und Wartung der Fertigprodukte
  9. Entwicklung neuer Produkte und verbesserter Arbeitsprozesse
  10. Personaleinstellung
  11. Regelung und Leitung der Produktion
  12. Regelung und Aufzeichnung von Verwaltungsvorgängen
  13. Weiterbildung und Schulung von Mitarbeitern
  14. Weiterentwicklung, Legitimierung und Symbolisierung des Charakters einer Organisation
  15. Vertretung der rechtlichen Interessen (...)
  16. Informationsbeschaffung auf dem Betriebssektor

      (S. 132)


Interessant ist diese Tätigkeitsliste u. a. deshalb, weil sie ganz unterschiedliches Informationsverarbeitungsverhalten erwarten läßt. Allerdings erscheint es auf den ersten Blick merkwürdig, daß die Informationsbeschaffung selbst dabei an letzter Stelle rangiert. Das hat wohl drei Gründe:

Zunächst ist die zugrundeliegende Untersuchung an 52 Organisationen Mitte der sechziger Jahre entstanden, als das Informationsproblem noch nicht so klar gesehen wurde; zweitens ist in betrieblichen Organisationsformen eine explizite Spezialtätigkeit für die Informatiorlsbeschaffullg in der Tat erst ab einer bestimnzten Größe vorgesehen. Drittens hat die Einführung der EDV das Bild in der "betrieblichen Informationswirtschaft" (Titel von M.Hoffmann 1976) inzwischen entscheidend verändert. Dennoch ist die Rangstellung dieser Spezialtätigkeit noch heute ein Gradmesser für die Einschätzung des Wertes und der Prozeduren von informationsbezogener Tätigkeit in einem Großbetrieb.
 


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