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(S. 111)

4.2 Syntax

Es gilt inzwischen als anerkannt, daß die Fachsprachen keine exklusive Syntax besitzen, sondern daß sie eine spezifische Auswahl aus den gemeinsprachlichen syntaktischen Mitteln treffen. Allerdings ist dieser Konsens in zweierlei Hinsicht fragwürdig:

Erstens ist die Suche nach einer fachsprachlichen exklusiven Syntax wieder, wie bei der Lexikologie, überhaupt nur eine Notwendigkeit bei einer strukturellen Definition von Fachsprache, nicht dagegen bei einer pragmatischen. Dort ist der Charakter der Exklusivität gar nicht sonderlich interessant.

Zweitens setzt die Suche nach der Fachsyntax eine geeignete Vergleichsgröße voraus, die in der Regel durch vorhandene Syntaxbeschreibungen als gegeben angesehen wird. Nicht hinterfragt wird dabei, daß in keiner der Syntaxen des Deutschen konzeptionell der Unterschied zwischen Fach- und Gemeinsprache gemacht wird. Damit kann nicht von vornherein davon ausgegangen werden, daß "normale" Syntaxbeschreibungen die Fachsprache nicht berücksichtigen. Ein Blick in die Duden-Grammatik (Duden 1973) beweist eher das Gegenteil:

München liegt in einer glazialen Aufschüttungsebene (§ 1168)
etwas resultiert aus etwas (§ 1190)

( S. 112)

Was bisher geschehen ist, läßt sich am besten am Beispiel Brasiliens, des größten Subkontinents zeigen (§ 1313)

Diese Beispiele wirken, soweit das ohne Kontext zu beurteilen ist, durchaus fachsprachlich.

Die Abschnitte über Präpositionalobjekte sowie über die Konstruktion: Pers. Subjekt + sachl. Akk. Objekt + Präpositionalobjekt bestehen überwiegend aus fachsprachlichen Beispielen. Sind es bei den oben zitierten Passagen vorwiegend lexikalische lndizien, die auf eine fachsprachliche Zuweisung hindeuten, so ist das gehäufte Auftreten gerade bei den Präpositionalobjekten offenbar systematisch.

Mit diesem Befund wird aber eine kontrastive Aussage zwischen Fach- und Gemeinsprache mit Indizien aus z. Z. vorliegenden Syntaxen unmöglich. Nicht einmal neueste algorithmische Untersuchungen zur fachsprachlichen Syntax (Sager 1982 und Hirschmann/Sager 1982) sind auf einem definitorischen Konstrukt gegründet, sondern lösen lediglich die in einem als repräsentativ angesehenen Fachkorpus auftretenden syntaktischen Analyseprobleme.

Daneben ist bei einem stärker gestaffelten Fachsprachenbegriff, der zudem, wie in diesem Buch, handlungstheoretisch begründet wurde, die Suche nach durchgängigen syntaktischen, gar exklusiven Fügungsmustern ebenso aussichtslos wie unsinnig.

Heute wird dagegen meistens ausgegangen von syntaktischen Besonderheiten als

- spezifischer Distribution gemeinsprachlicher Syntax
- Eigenschaft nur eines Teils der Fachsprachentypen, bes. der Wissenschaftssprache.
Wenn wir auf den folgenden Seiten mit genau diesen Einschränkungen auf fachsprachliche Syntax eingehen, dann auch deshalb, weil nur auf diesem Gebiet zitierbare Untersuchungen vorliegen, und weil nur unter diesen Bedingungen das Eindringen fachsprachlicher Formulierungsgewohnheiten in die Gemeinsprache identifiziert werden kann. Eine Zunahme von technologischer Sicht in sozialen Zusammenhängen kann selten terminologisch festgemacht werden. Es scheint mir, daß der Hinweis auf syntaktische  (S. 113)  Fügungen oft aussichtsreicher bei derartigen sprachkritischen Zielen ist.

Die folgenden syntaktischen Bemerkungen betreffen, entsprechend unserer Gliederung der Fachsprachen (s. S. 76), vorwiegend die Kommunikationstypen

Wissensch./Technologie         x         weit         x         Information/lnstruktion

Als typisch wollen wir drei Schlüsseltechniken aus der Sicht der kommunikativen Funktion herausgreifen
 

-  Anonymisierung,
-  explizite Spezifizierung
-  Kondensierung (vgl. Benes 1981)



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