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Das 12. Jahrhundert

Der "Physiologus" ist dann auch eines der dominierenden Werke des 12.Jahrhunderts. Umfangreichere Versionen in Versen und in Prosa liegen jetzt vor. Jahrhundertelang ist der Physiologus ein immer wieder abgeschriebenes und dann auch abgedrucktes Standardwerk. Entsprechend reichhaltig ist der Anteil an deutschen Tierbezeichnungen. (S. 18)

Etwa 900 Tier-, Pflanzen- und Steinbezeichnungen sind uns auch überliefert aus den lateinischen Werken der Hildegard von Bingen.

Interessantes Wortgut bietet daneben besonders der erste Teil (Schöpfung des Vaters) des "Lucidarius", einer Weltbeschreibung vor stark theologischem Hintergrund, die gegen 1190-1195 verfaßt wurde. Auch hier ist natürlich eine starke Abhängigkeit von lateinischen Vorlagen festzustellen. Das schmälert nicht, sondern begründet fast die unglaubliche literarische Wirkung dieses Werkes, dessen Traditionsgeschichte noch heute wegen der Materialfülle kaum überschaubar ist. Eis (Eis 1960, 1129) sieht im Lucidarius das zentrale fachsprachliche Werk des 12.Jahrhunderts.

Einen tieferen Einblick in die lokale Praxis der Zeit bieten die aus diesem Jahrhundert zahlreicher überlieferten Rezepte. (Eis 1962, 61 ff. zur Gattung) Sie konkretisieren sich im 12.Jahrhundert zu Arzneibüchern, einer Textsorte die schon eine längere Geschichte durchlaufen hat. (Eis 1960, 1184) Zu nennen sind vor allem das Prüler Arzneibuch und das Innsbrucker Arzneibuch. Einem anderen Traditionsstrang gehört das Bamberger Arzneibuch an.

Als frühe Zeugnisse einer mathematischen Fachsprache können einige "präarithmetische" Notizen gelten, die in andere Handschriften eingestreut sind. (Eis 1960, 1136)

Aus dem 12. Jahrhundert ist außerdem eine gegenüber dem vorausgegangenen Jahrhundert schon höhere Zahl an deutschen (d.h. deutschsprachigen) Urkunden nachgewiesen. Freilich geht die Zahl der Urkunden überhaupt deutlich nach oben, da in diesem Jahrhundert der Übergang von einer eher mündlichen Rechtsabwicklung zur schriftlichen vollzogen wurde, (Eggers 1963, Band II, 26) vom Zeugenbeweis wird zum Urkundenbeweis übergegangen. Aber auch die Zahl der deutschen Urkunden steigt, wenn auch erst im 14. Jahrhundert eine wirklich starke Verschiebung der Prozentsätze sichtbar wird.

Unter fachlichem Aspekt sind diese Quellen teilweise rechtlich von Interesse, nur in geringem Umfang übertragen die Urkunden Fachwörter der Sachen. die sie betreffen (Streitobjekte etc.).
 
 


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