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(S. 10)

 


Später, d. h. ab Anfang der sechziger Jahre, wird, ausgehend vom terminologischen, dann begrifflichen Zweifel an "Fachsprachen"  das Problem der Fachsyntax wenigstens erkannt. Noch 1968 hält D. Möhn
 

"es für verfrüht zu sagen, daß die Fachsprachen im Grunde nur aus Fachterminologie bestehen, urd Fragen der Syntax ausschließen" (Möhn 1968).


Seit der Mitte der siebziger Jahre (noch L.Hoffmann 1976 sieht sich vor einem fast unbearbeiteten Feld) kamen auf dem Gebiet der Strukturbeschreibung von Fachsprachen auch Fragen der Texteigenschaften an die Oberfläche, erst in jüngster Zeit ist das allgemeine pragmatische Interesse der Linguistik auch auf die Fachsprachen ausgedehnt worden (z. B. Brinckmann 1975) und führt hier zu einer Reformulierung von früher beschriebenen Eigenschaften vor dem Hintergrund handlungstheoretischer Konzepte (zur neueren Forschungsentwicklung vgl. v. Hahn 1981).

Heute wird das Phänomen Fachsprache innerhalb der Sprachwissenschaft(en) vorwiegend in den folgenden Fachgebieten behandelt:
 

- Angewandte Linguistik (z.B. Übersetzung, Terminologie)
- Systematische Linguistik (z. B. Pragmatik, Syntax)
- Soziolinguistik (z. B. betriebl. Kommunikation)
- Stilistik (z. B. Verständlichkeit, Abfassungstechniken)


Eine Entwicklung in der Fachsprachenforschung ist daneben auch in methodischen Fragen sichtbar geworden durch ihre Einstellung zu den Daten, die zunächst relativ wahllos und disparat erhoben wurden. Erste Einschränkungen zur Verläßlichkeit aller Datentypen stammen schon aus der Dialektgeographie, wo etwa der historische Abstand zu einer abgefragten Terminologie oder Großstadtnähe als kritische Argumente aufgeführt werden. Heute erst beginnt sich ein stärkeres Bewußtsein für Datentypen (vgl. Littmann 1981 und Kapitel 2, S.54ff.) und Quellenmaterial durchzusetzen, ein Bewußtsein, das z.B. in so anregenden Publikationen wie Petöfi/Podlech/v. Savigny 1975) noch vergeblich gesucht wird.

Den deutlichsten Fortschritt ist die insgesamt von starkem Beharrungsvermögen gekennzeichnete Fachsprachenforschung im Begriff zu machen durch die Einbettung

ihres Gegenstandes in größere (S. 11) Sach- und Forschungszusammenhänge und durch interdisziplinäre Perspektiven. Die Beschäftigung mit Implikationen etwa aus Wissenschaftstheorie, Didaktik, Informatik, Soziologie, Psychologie ist ein deutliches Signal, aber auch das Ergebnis der sich im Laufe ihrer Geschichte ständig erweiternden Forschung, die von einer lexikologischen Sammeltätigkeit ausgehend, heute die kommunikativen Voraussetzungen, Prozesse und Wirkungen in den vielgestaltigen Zusammenhängen von Arbeit beschreibt und analysiert.

In einer ironischen Rekursion wird dabei die Fachsprachenforschung selbst von der Offenheit und den ungelösten Problemen ihres Gegenstandes getroffen: Die relative Inkonsistenz linguistischer Terminologie und die Inkompatibilität der verschiedenen speziellen, d. h. auf Teilphänomene begrenzten linguistischen Theorien und wissenschaftstheoretisch gebundenen Schulen hat oft genug auch in der Fachsprachenforschung zur Verwirrung geführt. Man denke nur an die sich verhängnisvoll überlagernden Termini "Wort", "Name" und "Benennung" (z.B. Schnegelsberg 1977), oder aus der "Fachsprache der Fachsprachenforschung" an die Kollision von "Fachsprache", "Fachwortschatz" und "Fachstil", die, wie Hoffmann (L.Hoffmann 1976) zeigte, viel Verwirrung gestiftet hat.

So bietet ein Blick auf die Fachsprachenforschung eine beachtliche Streuung aber auch eine beachtliche Unsicherheit selbst in grundlegenden Fragen der Bestimmung des Gegenstandsbereichs und der Methoden (Kalverkämper 1980). Vordringliche Ziele der Forschung (vgl. auch Hoffmann 1982) sollten m. E. zunächst sein,
 

- kommunikativ orientierte Analysen von fachlich gebundenen Sprachzusammenhängen zu liefern, die die Sprachwirklichkeit in typischen modernen Handlungszusammenhängen nicht nur der Industrie und Technik erheben,

- auf einem wisschenschaftlichen Niveau zu arbeiten, das dem allgemeinen linguistischen ungefähr entspricht. Erst dann kann in größerem Umfang auch die "gemeinsprachliche" Linguistik von den Ergebnissen der fachsprachlichen Forschung beeinflußt werden; etwa in der Hinsicht, daß Sprachmaterial von ihr auf seine Fachsprachlichkeit hin überhaupt deklariert wird und die (S. 12) Fiktion "gesamtsprachlicher" Daten hinterfragt werden kann (Littmann 1979).

- eine pragmatisch orientierte Fachsprachentheorie oder Ansätze dazu zu liefern. Hier läßt sich erstmals eine solidere Grundlage für Einzeluntersuchungen schaffen und vielleicht auch die Fachsprachlichkeit vorliegender allgemeiner pragmatischer Theorien beurteilen, deren handlungstheoretische Exemplifizierungen sehr häufig auf fachsprachliche Äußerungen zurückgreifen.


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