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(S. 155)

 
 

Es liegt in der Natur dieser Darstellung, daß nicht alle Arbeitsplätze, die grundsätzlich dienstliche Kommunikation mit K1 haben hier aufgeführt sind, wenn sie im Beobachtungszeitraum keine aktuelle Kommunikation vorgenommen haben. Insofern ist das Kommunikogramm positionszentriert. Diese Eigenschaft macht sich auch bemerkbar in der Tatsache, daß die Kommunikation zwischen den Partnern K2-K18 hier nicht gebucht ist, auch wenn sie stattgefunden hat.

Die Ausdehnung der Striche im ersten Zeitdiagramm ist der Deutlichkeit halber etwas vergrößert. Die dadurch gelegentlich auftretenden zeitlichen Überschneidungen haben bis auf einen Fall nicht wirklich stattgefunden. Die kommunikativen Kontakte dauerten in der Regel (außer dem längeren Telefonat 11 :57 und den vorwiegend schriftlichen Aufgaben nach 14: l5 Uhr) nur wenig mehr als eine Minute. Es wurden 31 Aufgaben, zum größten Teil kooperativ verfolgt, dazu wurden 97 Kommunikationsprozesse, einschließlich Informationserhebung aus den Daten, Zwischenspeicherung auf Merkzetteln etc. durchgeführt.

Von den drei möglichen Typen der Aufgabenfolge:
 
 


 
 

(S. 156)

ist vor allem der erste Typ vertreten, nur 8mal wurde intermittierend gearbeitet, also eine vorige Aufgabe nach Unterbrechung wieder aufgenommen, einmal wurde während eines Telefonats auf nonverbale Aufforderung eine Unterschrift geleistet.

Die zeitliche Folge der Aufgabenbearbeitung hat zwei größere Lücken (eine dienstliche Tätigkeit außer Haus und die Mittagspause). Von den mehrfach wieder aufgenommenen Arbeiten (z. B. 9, 11, 16) sind zwei vergebliche Telefonate, ansonsten "mehrstufige" Schriftsatzbearbeitungen vom Merkzettel bis zum Ausgang.

Wiederaufnahmen von Themen sind nicht nur bedingt durch nacheinander auszuführende Schritte der Aufgabe selbst, sondern auch durch vielstufige im Geschäftsgang festgelegte Prozesse. Allein bei der Kommunikation mittels eines Briefs sind mindestens folgende Schritte notwendig:

Planen - formulieren (Diktat oder Diktiergerät) - schreiben - vorlegen - unterzeichnen - ablegen - transportieren - lesen verstehen - umsetzen - ablegen.

An ihnen waren 3 Personen beteiligt.

Trotz erheblicher methodologischer Vorbehalte seien hier intuitive Umschreibungen für die hauptsächlichen insgesamt vorkommenden Tätigkeiten von K1 in der Reihenfolge ihrer Häufigkeit gegeben:

  1. nachfragen
  2. informieren
  3. erklären, ausführen
  4. bestätigen
  5. heraussuchen
  6. diktieren
  7. unterzeichnen
  8. bitten, auffordern
Während diese Tätigkeiten zwischen 30 und 7mal erkannt wurden, waren die übrigen, wie "widersprechen", "ankündigen" o. ä. jeweils nur weniger als 5 mal vertreten. Während (1) - (4) und (8) illokutiven Charakter haben, sind (5) + (7) eher instrumentelle Handlungen. (6) ist ohnehin mit den anderen Tätigkeiten nlcht vergleichbar.

Die Auswahl der nächsten Aufgabe nach der Beendigung der vorigen wurde gesteuert durch             (S. 157)
 
 


Wie allgemein häufig zu beobachten ist, wurden auch hier Aufgaben oft durch verbale Marken abgeschlossen, selbst wenn kein Kommunikationspartner anwesend war: So, gut etc.

Auffällig ist, daß, besonders bei den Telefonaten neben der Sachebene oft eine "Organisationsobene" explizit angesprochen wurde:

Ich hab' zwei Dinge vor: . . .
Vorweg noch eine Frage: . . .
Übrigens, wo wir gerade dran sind, . . .
Darf ich dich eben mal was Dienstliches fragen: . . .
Noch was: . . .
Viel häufiger als in gemeinsprachigen persönlich orientierten Gesprächen, wurde der (ein) Kommunikationsplan greifbar, der die Zusammenarbeit leitete.

Ähnlich wird einige Male auch zwischen dienstlichen und privaten Gesprächsteilen stilistisch und phonetisch unterschieden, wie überhaupt die Aufnahme stilistische Variationen in Abhängigkeit von der Kommunikationsdistanz belegt. Die hier vorgelegte Skizze kann diese komplexen "Musterwechsel" aber noch nicht genau beschreiben.

Die Initiierung der Kommunikationsakte, gekennzeichnet durch die Pfeilrichtung, ging sehr häufig von den anderen aus. Es wurden Informationen erbeten, Mitteilungen gemacht, Vorgänge vorgelegt u. ä. Die Initiative dagegen ist, soweit aus dem Material deutlich, nicht in gleicher Weise verteilt. Der zugeordnete Arbeitsplatz K2 ist gegenüber Kl vorwiegend reaktiv, ebenso etwa K17, eine Buchhandlung, bei der eine Bestellung aufgegeben wird. Im Gespräch mit dem Studenten von auswärts (K15) liegt die Initiative eindeutig          (S. 158)          bei K1. Bei K13 wird ein Tonbandgerät ausgeliehen, die Initiative korrespondiert mit dem entsprechenden Stil.

Die meisten übrigen Initiativen von Kl betrafen Daten und schriftliche Nachrichten-Verarbeitung. Obwohl die Zugriffe auf die Daten nicht zahlenmäßig dargestellt sind, ist ein Überwiegen von Lese-Zugriffen gegenüber Schreib-Zugriffen (Entnahme vs. Eingabe) festzustellen. In der Beobachtungszeit hat also eine intensive Nutzung von (zu anderen Zeiten gespeicherter) Information stattgefunden, während Kl von anderen offensichtlich als Informations-"Besitzer" seinerseits genutzt wurde. Die Detail-Struktur des längeren Telefonats K1/K11 (11:09 Uhr) gibt die nebenstehende Aufstellung (Abb. 23. Zeitverlauf eines Telefonats):


 

Es zeigen sich deutlich drei Phasen (neben Eröffnung + Schluß): Entscheidungsvorfeld mit Klärungsfragen und anderen Verständigungen, dann die eigentliche Entscheidung mit Kommentar und einer Art zusammenfassendem Urteil, sowie die sich daran anschließende Regelungsphase mit Abklärungen vor dem Hintergrund der Entscheidung.

Im Gegensatz zu dem ungleich längeren Telefonat K1/K12 bleiben die Partner ganz eng am Sachthema und streuen keine erzählenden Partien ein.

K11 ist formal deutlich initiativ. Er möchte einen Besuchsplan für einen Kollegen organisieren, ist dabei aber auf Entgegenkommen von K1 angewiesen. Initiative fällt in diesem Fall also nicht mit Entscheidungskompetenz oder Dominanz zusammen. Kl war im Besitz der Ressourcen (Einladung, Geldmittel, Organisationspotential) für die Zustimmung zu dem Anliegen von K11, hatte aber einige Schwierigkeiten, die Ausführungen von K11, richtig zu verstehen. Insofern lag hier eine Coclierungsschwelle vor, die sich aber ausräumen ließ und den Erfolg des Gesprächs nicht berührte.

Dabei sind nicht alle Kommunikationen ohne wirkliche Mißverständnisse abgelaufen. Codierungsschwellen waren auch gegenüber dem Studenten (K14) vorhanden, wohl aus Unkenntnis über die örtliche Studien- und Forschungssituation. Außerdem wechselte Kl mehrfach die fachliche Detailliertheitsebene, zunächst in der Annahme, daß die ersten Ausführungen zu einfach gehalten waren. Nach einer längeren, viel Fachkenntnis voraussetzenden Partie,        (S.160)    stellen Kl und Kl4 fest, daß das fachliche Niveau jetzt zu hoch war und pendeln sich in einer nun zweifach korrigierten Partnereinschätzung ein.

In einem Gespräch mit K10 (Verwaltung) war gerade eine terminologische Unsicherheit Gegenstand der Kommunikation. Ohne größere Schwierigkeiten lief dagegen ein Gespräch mit einem Angehörigen des Rechenzentrums, das als einziges in dieser Aufnahme stark fachterminologische Züge (im engere Sinne) hat.

Als fachsprachlich in engerem Sinne sind zwei Ebenen anzusehen: Zunächst die fachbezogene Kommunikation, die in den vorliegellden Aufnahmen eine recht geringe Rolle spielt. Hauptsächlich werden Verwaltungsaufgaben und Organisationsprobleme gelöst. Dementsprechend ist die zweite fachsprachliche Ebene die der Verwaltung und Organisation. Hierfür finden sich zahlreiche Beispiele auch in der mündlichen Kommunikation:

"Ich habe Information, daß...", "Aufennthaltskosten bis zu einer Höhe von...", "die Vorstellung dieser Gruppe zu...", "seinerzeit auf telefonische zusage...", "in bescheidenerem Umfange (!)", "wenn dieser Fall gegeben ist, ...", "Ihr Mitarbeiter ging wohl davon aus, ...", "Aufwandsabschätzung", "für ratsam halten", "Gesprächspartner", "vorgang", "einvernehmlich", "auf LISP aufsetzend", "Arbeitsauftrag" etc.

Bei den schriftlichen Prozessen wird dabei noch mehr Organisationsterminologie verwendet, was allein durch Datengruppen wie Instituts- und Universitätsakten sowie durch die kommunikative Distanz naheliegt. Ein weiterer Grund hierfür ist, daß die meisten offiziellen Aktivitäten des Kl dokumentierbar sein müssen und ein größerer Teil davon nicht ohne schriftliche Hintergrunddaten vollständig abgearbeitet werden kann.
 


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