5.2.1 Betriebswirtschaftliche Kommunikationskonzepte
Die betriebswirtschaftliche und überwiegend auch die industriesoziologische
Literatur nehmen mehr oder weniger bewußt eine Verkürzung des
Informationsbegriffs vor, der Art, daß unter Information nur verwertbare
Daten (Pöhler 1969, 164), aber unter ihnen nur sichere, eindeutige,
meist numerische Daten verstanden werden. Es ist typisch, daß der
Begriff der Meldewerte dabei eine große Rolle spielt. In dieselbe
Richtung geht der Informationsbegriff, der hinter folgendem Zitat steht:
"Der Funktionsträger strebt nicht zwingend eine vollständige Dekkung (des Informationsbedarfs, v. H.) an, sondern begnügt sich mit einer hinreichenden Bedarfsdeckung (...). Im übrigen ist davon auszugehen, daß der menschliche Problemlöser seinen (objektiven) Informationsbedarf nicht vollständig kennt." (Witte in Grochla 1975, 390)Mertens (in Steinmann 1982, 355) nennt als wesentliche betriebliche Daten, die Gegenstand der Kommunikation sind, die sog. Stammsätze:
Betriebsmittel Mitarbeitersowie im "Vormerkspeicher" (leicht gekürzt):
Teile Kostenstellen
Erzeugnisstrukturen Kunden
Fertigungsvorschriften Lieferanten
Personalkapazität Projekte
Eröffnete AngeboteSicher ist ein wichtiger Teil der inner- wie außerbetrieblichen Kommunikation von der Weitergabe solcher Daten bestimmt.
Noch nicht abgerechnete Aufträge
Offene Posten Debitoren
Offene Posten Kreditoren
Noch nicht gemeldete Inventuren
Offene Fertigungs- und Instandhaltungsaufträge
Lagerüberweisungen
Wareneingänge ohne Abrechnung
Offene Bestellungen
Von kommunikationswissenschaftlicher und linguistischer Seite her ist aber der Versuch zu unternehmen, den Informationsbegriff und damit die Aussagekraft des Kommunikatiollsbegriffs zu erweitern und mit den dort und in der Fachsprachen-Diskussion bekannten linguistischen Sachverhalten in Beziehung zu setzen.
Der eingeschränkte Blickwinkel wird andererseits in betriebswirtschaftlichen
Schaubildern der externen betrieblichen Kommunikation auch faktisch überholt.
So hat Grinyer (in Steinmann 1982, 206 s. auch Ansoff in Steinmann 1982,62)
in seinem Modlell des "Business Strategic Planning" Pfeile mit unklaren
Grenzen und schraffierter Fläche für "information from the environment"
eingezeichnet. Eher nebenbei und als Beispiel für betriebliche Herrschaftsansprüche
behandelt Pöhler (Pöhler 1969), "daß Sachverhalte und Prozesse
in verschiedenen Sprachen mit jeweils besonderen Regeln dargestellt werden
können" (das. 165). Er nennt dann aber sehr untypisch die Sprache
der Buchhaltung gegenüber der wissenschaftlichen Theoriesprache; sind
doch beides Ausprägungen innerhalb derer sich der positive ("harte")
Informationsbegriff noch recht gut wiederfinden läßt. Chorafas
(Chorafas 1972,35) führt eine Informationspyramide auf, die auf der
Basis gesicherter (S. 134) Information steht und hinaufführt
zu stark unstrukturierter Informationsumwelt:
Abb.16. Informationspyramide nach Chorafas
Schon Hinings (Hinings 1964) wendet folgende Differenzierung betrieblicher
Kommunikation als Gliederungskriterien einer betriebsübergreifenden
Kommunikationsstudie (beschrieben in Blum/Naylor 1968) an:
1) Ort (der kommunikativen Tätigkeit)
2) Zeitpunkt
3) Dauer
4) Aktivität:
sprechen / hören
- Medium
|
schreiben
- Medium
- Organisationszugehörigkeit des Adressaten
|
lesen
- Medium
- Organisationszugehörigkeit des Produzenten
|
(S.135)
5) Inhalt: technisch - nicht technischProgressiv beschreibt ein Computer-Fachblatt (Computer Magazin 5, 1982, 27ff.) die "Machtergreifung der neuen Supermänner", nämlich der Informationsmanager. "Für Futurologen zumindest ist klar, daß diese neue Spezies von Spitzenkräften auch im Firmenolymp ihren berechtigten Platz finden wird". Hier ist die Reduktion des Informationsbegriffs stark auf EDV hin vollzogen, wenn auch als "Managerielle Aufgaben" u. a. aufgeführt sind:
6) Zusammenhang der Sprache mit nichtsprachl. Aktion
7) Herkunft der Inhalte der Kommunikation: selbst - andere unbekannt
8) Eigene Funktion beim Kommunikationsprozeß: Hauptsächlich Information abgebend
- Information aufnehmend
- Information austauschend
9) Bewertung: notwendig - förderlich - überflüssig
- sinnvolle und effiziente Verknüpfung des Wissens unterschiedlicher Gebiete
- Bestandsaufnahme der kommunikativen Situation im Unternehmen (...)
- kontinuierliche Überwachung und Steuerung des Informationsflusses.
Zwei Sachverhalte haben m. E. den in Betriebswirtschaftslehre und
Industriesoziologie vorherrschenden Informations- und damit auch den Kommunikationsbegriff
endgültig in Frage gestellt:
1) Das Scheitern der Management-lnformationssysteme (MIS) (vgl. Lucas 1975). Von vielen Benutzern solcher Systeme wurde bemängelt, daß die Kumulation allein der harten Information, d. h. vorwiegend von Zahlenwerten, unbrauchbar sei, die kooperative Aussprache über Daten sei wesentlich problemangepaßter (entscheidungsgerechter) und sei der lückenlosen Überschau von Fakten allein bei weitem überlegen. Die Systemdesigner beklagten geradezu ein von vielen Managern bevorzugtes heuristisches Verhalten, eine Strategie, die, geht man davon aus, daß Manager qua definitionem erfolgreich sind, ein integriertes Element ihrer erfolgreichen Arbeit ist. (S. 136)
Pöhler (Pöhler 1969, 165) diagnostiziert ähnliche Probleme, "wenn Sachbearbeiter, Abteilungsleiter und Mitglieder des Managements Daten, die sie bisher in linguistischer Form erhielten, plötzlich in numerischer Form erhalten."
Ganz offensichtlich hat die konsequente technische Umsetzung des reduzierten Informationsbegriffs die Schwächen dieses Konstrukts auch in der Praxis zutage gefördert.
2) Die Notwendigkeit eines dynamischen betrieblichen Planungskonzepts durch innovativen Wandel, nicht durch Extrapolation aus der angesammelten Datenbasis. Wandel als Planungskonzept muß, da Zukunftsdaten nicht erhältlich sind (Witte in Grochla 1975, 390), systematisch vage Information über Trends, über Geschmack, über Planungen anderer, über Prognosen etc. einbeziehen, wodurch der Gedanke der Absicherung allein durch aktuelle betriebliche Meldewerte stark eingeschränkt wird.
Neben diesem Typ der Kommunikation über "harte" Daten kennt die
entsprechende Literatur (auch die aus der Betriebspsychologie) nur die
soziale Kommunikation unter den Mitarbeitern, die unter dem Gruppenbeziehungsaspekt
betrachtet wird.