4.2.3 Kondensierung
Dieser von Benes (Benes 1973) geprägte Begriff scheint am besten geeignet, den Komplex von Redundanzarmut, Textsortenspezifik und Schriftlichkeit zu umreißen. Denn zweifellos ist das, was bisweilen auch Ausdrucksökonomie oder stilistische Verknappung genannt wird, zunächst der Verzicht auf ein größeres Maß an Redundanz. Das hat wiederum zwei Gründe: Die in der Wissenschaftssprache üblichen Textsorten wie Fachbuch und Vortrag verlangen vom Rezipienten ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und er selbst erwartet auch keinen großen Aufwand an Paraphrasen, Plausiblitätsstützungen etc. Typisch für die Pragmatik dieser Textsorten ist, daß sie stark schriftlich orientiert sind, selbst Vorträge sind oft durch Thesenpapiere, schriftliche Zusammenfassungen, Definitionspapiere usw. unterstützt. Die Eigenschaft von schriftlichen Dokumenten, daß man die Rezeption selbst als Leser steuert (ggf. mehrmals liest) Verstehensinseln in Sätzen bildet und von dort aus ein Gesamtverstehen herbeiführt), diese Eigenschaft wird besonders bei Abrissen, Kurzübersichten und Zusammenfassungen systematisch zur Kondensierung ausgenutzt (vgl. zur Schriftlichkeit auch S. 129).
Dabei spielen zusätzlich folgende syntaktische
Muster eine Rolle:
(S. 118)
Die Nominalisierung ist wohl das bekannteste Mittel der Kondensierung. Aus
x ist verboten; jemandem, der versucht x zu übertreten, wird hierdurch mit einer Strafe gedrohtwird
x ist bei Strafandrohung verbotenZugegeben sei, daß die beiden Sätze keine Gebrauchsparaphrasen sind, in dem Sinne, daß auch der erste etwa auf einem Schild stehen könnte.
Zusätzlich hat die Nominalisierung den Vorteil, daß man ohne Umformung und damit ohne Gefahr der Mißverständlichkeit die fast immer substantivische Terminologie benutzen kann.
(nicht: Schreibprüfung befehlen)
polnische Notation
(nicht: polnisch notieren)
Das zweite, besonders im Deutschen gut einsetzbare Kondensierungsmittel sind Wortbildungstechniken, wie sie oben (S. 88) beschrieben sind.
. . . werden kostenpflichtig abgeschlepptist wenigstens eine Komprimierung von
mit der Pflicht der Kosten(übernahme),wenn man die längere Inhaltsumschreibung
mit der Pflicht, die durch Maßnahmen bei Zumiderhandlung anfallenden Kosten zu bezahlennicht als echten Ausgangstext anerkennen will.
Ein bisher kaum beachtetes Problem der fachsprachlichen Syntax, das durch Kondensierungstechniken erst entsteht, ist die Einbettung von nichtsprachlichen Zeichen (vgl. S. 83): (S. 119)
Während Buchstabenfolgen und Zahlen noch gut integriert werden können (und im Falle der Abkürzungen auch beim Lesen aufgelöst werden), ist das bei Grafiken und Bildern nicht der Fall. Hier ist immer eine Art Stellvertreterwort zum Verweis notwendig; wir wollen es Referenzierungstitel nennen. Der Referenzierungstitel über- oder unterschreibt das sprachfremde Zeichen als Name und wird im Text zum eindeutigen Verweis benutzt
Seltener wird nur die räumliche Folge mit Doppelpunkt referenziert.
Ebenso wird in Texte eingebettet mit: Hier, wie folgt, wie gezeigt. Während im ersten Fall der Präsentationsort beliebig ist und über den Referenzierungstitel immer eine eindeutige Zuordnung gefunden wird, muß im letztgenannten Fall der Raumkontakt zwischen verweisender Zeile und textfremden Zeichen gewahrt bleiben.
Sind die Grafiken komplexer, so müssen zur Orientierung innerhalb derselben Techniken angewendet werden, wie sie bei räumlichen definiten Beschreibungen in Real-Szenen üblich sind:
In der linken oberen Ecke, rechts vom Gleichheitszeichen...Das interessanteste Problem daran ist die Auswahl der Auffälligkeitspunkte in solchen Zeichenkomplexen, ein Prozeß, der völlig im dunkeln liegt, weil nie untersucht wurde, wie z.B. komplexe Grafiken gelesen werden.
Der vordere Teil der Formel bis zum Pfeil.. .