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Durch die Kombination der Werte in drei Dimensionen ergeben sich typische fachliche Kommunikationssituationen mit den dort optimalen Textsorten-Varianten und deren typischen Eigenschaften.

Beispiel:

(1)          A1 / D1 / H2
 

Wissenschaft/eng/lnformation

Texte: Fachgespräch, Labornotiz u. a.
Eigenschaften: individuell, schwach deklanert (s.u. S. 122), schwach strukturiert, redundant, spontan, umfangsarm, terminologiehaltig.

(2)          A4 / D3 / H3
 
Nutzung/weit/lnstruktion

Texte: Gebrauchsanweisung, Bauanleitung
Eigenschaften: schriftlich, anonym, wenig terminologiehaltig, stark deklariert (s.u. S.122), stark strukturiert, redundanzarm, umfangsarm, vorwiegend asyntaktisch.

Die Liste der hier angebbaren Eigenschaften der Textsorten ist vorläufig und wurde aus der Literatur für ein Projekt zusammengestellt, für das z. Z. Vortests laufen:

Rund 35 Textsorten (von "Aktennotiz", "Arbeitsplan", bis "Untersuchungsbericht" und "wissenschaftlicher Zeitschriften-Aufsatz") wurden linguistisch wenig vorgebildeten Versuchspersonen zur Beurteilung in Bezug auf folgende Texteigenschaften (vgl. auch Sandig 1972) vorgelegt (Doppelankreuzung in einem Paar möglich):

 
mündlich - schriftlich
individuell - anonym
terminologiehaltig- terminologiearm
schwach deklariert- stark deklariert
schwach strukturiert - stark strukturiert
redundant - wenig redundant
Information abgebend - Information aufnehrnend
subjektivierend - objektivierend
formatiert - nicht formatiert
spontan - vorbereitet
syntaktisch - asyntaktisch
textreich - textarm
umfangreich - umfangarm


Ziel der Untersuchung ist die Erhebung der Erwartung bzw. Bewußtheit von fachlichen Texteigenschaften, die Sicherheit der Zuordnung, die Trennschärfe der Paare in sich, Verwandtschaft der Textsorten, sowie die Kovarianz der Eigenschaften.

Die bisherigen Ergebnisse sind noch zu vorläufig, um in größerer Breite mitgeteilt werden zu können. Jedenfalls scheint es bei den Texteigenschaften eine weite Streuung zu geben, so daß man sehr "gute" Eigenschaften, die zur Differenzierung von Textsorten dann allerdings wenig informativ sind, von sehr "schlechten", die nur in speziellen Texten zukommen, trennen kann. In der Güteskala (nach Nennungen) ziemlich sicher scheint das folgende obere Ende der Skala zu sein:

terminologiehaltig redundanzarm, Information abgebend, syntaktisch schriftlich, anonym, nicht formatiert - vorbereitet, textreich

Zurück zum Fachsprachen-Beschreibungsmodell: Es hat sich bei dem Versuch, das oben skizzierte Modell zu füllen, gezeigt, daß durch A/D/H-Tripel keine nicht-fachlichen Kommunikationen beschrieben werden. Gewisse Schwierigkeiten sind allenfalls bei der Realisierung von A1 / D3 / H3 (wissenschaftliche weit kommunizierende (S. 82) Instruktionstexte) sowie bei den Typen A4 / D2 / H1 und A4 / D3 / H1 (mittlere und weit kommunizierende Nutzer-Organisation) festzustellen. Bei den beiden letzten ist die Fachsprachlichkeit nicht unbestreitbar.

Umgekehrt tauchen natürlich einzelne Textsorten, besonders solche, die einen größeren Variationsbereich haben, in mehreren der Fachkommunikations-Typen auf, so etwa das "Fachgespräch" oder die "Anleitung".

Eine Reihe von Problemen, die auch durch das vorgelegte Beschreibungsmodell nicht gelöst werden können, seien im folgenden angemerkt: Durch die Disparatheit dessen, was als Textsorte (Texttyp, -gattung etc.) in der Fachsprachenliteratur geführt wird, sind Gliederungsmodelle an ihrem Zutreffen gegenüber diesen nicht meßbar. Stellt man beispielsweise "Projektantrag" dem Typ "Zuruf" gegenüber, so wird offenbar, daß die Kategorien, nach denen hier Textsorten namhaft gemacht werden, sehr uneinheitlich und gewiß nicht flächendeckend sind.

Die Frage, wie genau differenziert werden muß, ist immer kontrovers behandelt worden. Spricht Möhn schon 1975 (Möhn 1975, 172 f.) von der Notwendigkeit einer intensiven Differenzierung der "Grobeinheiten" 'Wissenschaftssprache', 'Produktionssprache' und 'Verteilersprache', so wird andererseits gerade in der Praxis die Fiktion einer fast undifferenzierten Gleichsetzung von Fachsprache und Terminologie aufrechterhalten. Die Widersprüche, die hier zutage treten, sind wohl auch pragmatischer Natur: für lexikographische Arbeiten reicht ein grobes Raster, während etwa für die Erforschung von Organisationsaufgaben bezüglich betrieblicher Kommunikation und Information ein wesentlich feinkörnigeres Analyseinstrumentarium herangezogen werden muß.

Was bei der Besprechung von L. Hoffmanns Modell schon angemerkt wurde, trifft zugegebenermaßen teilweise auch unseren Entwurf: Die Komplexität des Distanzbegriffs ist erheblich; wir glauben aber, durch die vorgelegte Auflösung des Begriffs in Einzelvariable die Brauchbarkeit dieses Begriffs erhalten zu haben.

Ein letzter Problembereich ist der der Abhängigkeit bzw. Kovarianz von Werten. Sicherlich bestehen hier, besonders fr bestimmte Organisationsstrukturen (z. B. Industriebetriebe) jeweils spezifische Bindungen. So ist besonders 'Instruktion' oft an A3/A4 gebunden, wenig an A1. Hier schlagen natürlich wirtschaftliche Gegebenheiten des Produktionsflusses auf die Textsorten durch; doch zeigt die relative Unabhängigkeit von Instruktion in anderen Zusammenhängen (z.B. Einweisung von wissenschaftlichen Mitarbeitern), daß die Dimensionen Handlung, Adressat und Kommunikationsdistanz aufs Ganze gesehen unabhängig voneinander sind.


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