Abb.8. Fachsprachen-Gliederung (v. Hahn)
Wir versuchen hier ein verändertes dreidimensionales Modell für je eine Fachsprache, d.h. innerhalb je eines Fachs, vorzulegen, in welchem die in der Literatur als vorrangig erkannten Parameter aufgegriffen sind und um die Gruppe der Kommunikationsdistanz erweitert wurde. So wurde die Milieuebene, die Hoffmann (L. Hoffmann 1976) systematisch aufgenommen hat, mit dem, was Benes (Benes 1969) als "Einstellung zum Empfänger" unter der Dimension der Fachlichkeit und Havránek (Havránek 1932) unter "Ziel der Aussage" führt, kombiniert und dann in Beziehung gesetzt zur Kommunikationsdistanz, die eine etwas systematischere Form der Dichotomie "intim-öffentlich" bei Havránek darstellt und den Distanzbegriff von Bergmann/Zapf (BergmanntZapf 1965) aufnimmt.
Die Adressaten von Fachsprachen sind aufgefaßt als Funktionsträger in fachlichen Handlungsabläufen bzw. typische Klassen der Abstraktion von der Konsumption. In den meisten Fachgebieten existiert eine Arbeitsteilung (Möhn 1967) folgenden Schemas, das wir- um Fehlinterpretationen bezüglich Hierarchie oder Qualitat zu umgehen - einmal in umgekehrter Reihenfolge präsentieren:
Diese Vierergliederung ist gegenüber der bekannten Teilung: Wissenschaft- Praxis -Verteilung (Ischreyt 1965) um einiges schärfer, da die sehr vielgestaltigen letzten beiden Gruppen auf die Schichten A2 - A4 verteilt werden können. Andererseits scheint Hoffmanns Ebene B sich ohne Verlust für die Erklärungs-/Beschreibungskraft (S. 78) des Modells den Ebenen A bzw. C zuordnen zu lassen, was auch die Spezifizierungen (L.Hoffmann 1976, 186) der Kommunikationsteilnehmer dort nahelegt.
A4 A3 A2 A1 Nutzung Praxisvermittlung Ingenieurwesen Theoretische Wissenschaft Anwendung Handel Angewandte Wissenschaft Methodenlehre Konsum Ausführung Didaktik Forschung Lerner Herstellung Produktionsleitung Klient Ausbildung
Die Frage, ob man diese ganze Dimension als "Adressaten" oder "Kommunikatoren" (Maletzke 1976) auffaßt, ist im Grunde nicht so wesentlich, wenn auch unsere Bezeichnung durch die Überlegung gestützt wird, daß textproduzierende Instanzen in der Regel ihre Kommunikation eher adressatenspezifisch variieren, als daß sie selbst durch einen funktionsspezifischen oder berufsgruppenspezifischen Stil in allen Kommunikationssituationen und Adressatenkontakten festgelegt wären Mit anderen Worten werden die Texte, die für den Technologiebereich von verschiedenen anderen Instanzen verfaßt wurden, mehr typische Gemeinsamkeiten haben als alle Texte aus dem Technologiebereich an Adressaten der verschiedensten Ebenen.
Die Kommunikationsdistanz variiert von der direkten, d. h. face-to-face-Kommunikation bis zur anonymen Kommunikation über zahlreiche unbekannte Instanzen. Nähe und Weite können beurteilt werden nach
- Bekanntheitsgrad des Adressaten,
- Vorhandensein von Vermittlungsinstanzen (Übertrager,
Überbringer, Transformationen, Dienstweg, Bearbeitungsinstanzen etc.,
- Wahl der Vermittlungsschritte,
- Art des Kommunikationsicontakts (Kanal),
- Grad der Ungleichzeitigkeit (zeitliche Dilatation).
Freilich ist die Aufteilung in drei Zonen nur
eine sehr grobe und nicht immer eindeutige. Durch die Auffächerung
in die sie konstituierenden Faktoren erscheint der Wert dieser Trichotomie
aber heuristisch größer als z. B. die mißverständliche
Dichotomie "intim/öffentlich". Unsere Aufteilung beschreibt demgegenüber
recht gut die in der Literatur immer wieder festgestellte Unterscheidung
in Fachkommunikation am Arbeitsplatz, betriebliche fachinterne Kommunikation
und externe anonyme Kommunikation (Vgl. z. B. Pelka 1979, 61ff., Möhn
1977, 314ff., v. Hahn 1981, 9).
Abb. 9. Faktoren der Kommunikationsdistanz
Die Gruppen von Handlungen: "Organisation", "Information"
und "Instruktion" sind in Anlehnung an Sprechakte einbezogen worden. Als
typische Text-Repräsentanten könnte man nennen:
Organisation : Verfügung
Information : Versuchsbericht
Instruktion : Bauanleitung
Diese Dreiteilung ist implizit in den meisten
Gliederungsentwürfen für Fachsprachen enthalten, sei es unter
der Terminologie Bericht, Erörterung, Belehrung, offizieller Stil,
oder gebunden an eine fachliche Textsortengliederung (vgl. auch Hacker
1978,161).
Sicher sind die drei Kategorien weder aufgrund
von Textsorten noch aufgrund von Sprechakten trennscharf einsetzbar. Z.
B. sind regulative Sprechakte unter Organisation wie unter Instruktion
denkbar, außerdem stehen die einzelnen Ebenen in Sequenzen oft in
einer eng verbindenden Folge-Relation zueinander: Aufgrund von Information
wird Instruktion erteilt zur Organisation eines (S. 80) vorhandenen
oder angestrebten Zustandes (vgl. Möhn 1977, 317, Möhn 1977 b,
75). Auch definitorisch hängen die Bereiche indirekt zusammen, da
Organisation als zielstrebige Herstellung von Ordnung zum optimalen Abwickeln
betrieblicher Aufgaben (Grochla 1969, Sp. 1093 sowie Bergmann/Zapf 1965,
17ff.) nur durch Information gesichert werden kann. Für den betrieblichen
Bereich formuliert Grochla (Grochla 1969, Sp. 699, vgl. auch Kupka et al.
1981)
"Menschliches Handeln, das im Hinblick auf die Ziele, die es steuert, wirkungsvoll sein soll, erfordert erfahrungsgemäß Wissen ... Das hier gemeinte Wissen ist nicht Wissen schlechthin, sondern solches mit dem Zweck, Handeln vorzubereiten; wir nennen es Information."