Deutlich zeigt sich das an der Textsorte Fachbuch schon im späten Mittelalter und dessen Traditionsgeschichte: Nehmen wir Garzonis "La piazza universale di tutte le professione del mondo", Venedig 1585. (S. 56)
Dieses Werk wurde 1616 ins Deutsche übersetzt, erlebte zahllose
Auflagen und war unter seilnem Titel "Allgemeiner Schauplatz,Marcht und
Zusammenkunfft aller Professionen, Künsten, Geschäfften, Händeln
und Handt-Wercken .."(der genaue Titel wechselte öfter) in Deutschland
die allgemein benutzte Quelle, die durch die Provenienz Italien eine zusätzliche
Würde erhielt. Die Arbeit zitiert ausführlich antike und spätantike
Autoren und ist vom Inhalt her durchaus ungenau, bisweilen sogar falsch.
Der fachliche Wert oft ganz formal gehaltener Passagen ist höchst
fragwürdig:
"Davon wirdt gemacht der Barchet / dessen allerhand unterschiedliche
Gattungen / grob / rein / dick und dünne / schmal und breit / welche
ihre unterschiedliche Namen haben. Es werden auch reine und weiße
Schlejer auß Baumwollen gemacht / deßgleichen auch Tuch / so
sich dem leinen Tuch vergleichet / und wie derselbige zui allerhand Sachen
gebraucht wirdt" (S. 566 der Ausgabe Frankfurt/Main 1959).
Ungeachtet der Unbrauchbarkeit für den Praktiker, der ohnehin meist nicht lesen und schreiben konnte, ist dieses Werk in der Folgezeit von wenigstens (d. h. nachweisbar) acht prätechnologischen Werken ausgeschrieben worden, bis zur Wende zum 19.Jahrhundert in Ludovici, C.G., Neu eroffnete Academie der Kaufleute umgearbeitet von Joh. Chr. Schedel. Leipzig 1797-1801. Die Adressaten und tatsächlichen Leser der Werke waren offenbar so entfernt vom Korrektiv der Praxis, daß ihr Kommunikationsbedürfnis von sachlicher Unrichtigkeit unbeeinflußt blieb.
Dieses herausgegriffene Beispiel zeigt, daß gerade bei der Erforschung von historischen Fachsprachen eine sehr genaue Prüfung des pragmatischen Zusammenhangs von Quellen vorgenommen werden muß, um nicht zu diffusen Befunden durch disparate oder in ihrem Wert nicht geprüfte Quellen zu kommen.
Die Möglichkeiten, die spezifische Art der Verwendung von Fachliteratur allgemein und einzelner Quellen in der Geschichte nachzuweisen, sind natürlich sehr begrenzt. Einerseits läßt sich, ähnlich der in der Literaturwissenschaft bekannten Methode, feststellen, welche Werke in wessen Bibliothek standen, indem man aus dem Vorhandensein eines Werkes auf dessen Benutzung schließt und (S. 57) eine Beeinflussung annehmen darf. Schon im frühen 16.Jahrhundert können wir das an der Bibliothek Rhenanus als einer frühen, erhaltenen Privatbibliothek real überprüfen (Vorstius 1954, 27).
Eine andere Rekonstruktionsmöglichkeit bieten in gewissen Zeiträumen
die Pränumeranten-Listen, die in manchen Fällen wenigstens eine
Berufsfächerung der Besteller und damit der potentiellen Leser zulassen.
Jacobssons Technologisches Wörterbuch (s. S. 42) enthält eine
solche alphabetische Liste. Wir haben die Einträge grob nach Berufsgruppen
gegliedert. Es ergibt sich folgendes Bild:
Der geringe Anteil derjenigen, deren Tätigkeiten im Wörterbuch beschrieben werden, ist erstaunlich. In den meisten Fällen wird das Werk zur Orientierung für Organisationsaufgaben benutzt worden sein, wenn nicht überhaupt nur aus Sammelleidenschaft, diffusem naturkundlichen Interesse oder als Nachschlagewerk.
Verwaltung, mittlere und höhere Beamte 81 Standespersonen 19 Hohe Beamte 14 Bildung 12 Militär 12 Kirche 11 Institutionen 9 Buchwesen 9 Bibliotheken 7 Handel, Gewerbe 6 Medizin 5 Schreiber 5 Sonstige Berufe 12 ohne Berufsangabe 31 davon Adel
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Summe der Pränumeranten 233
Unter Handel und Gewerbe finden sich lediglich ein Gerber, ansonsten Kaufleute und Fabrikanten, unter den Berufen, die zum Buchwesen zu zählen sind, Buchhändler, Buchbinder und Drucker.
Die Gruppe der Institutionen spiegelt recht gut das Gesamtbild:
Regierungen und Rentkammern mit einer Postverwaltung bilden (S.
58) einen Teil, während der Rest sich aus einer Schule, einer
literarischen Gesellschaft, einer physikalischen Gesellschaft und einer
Loge zusammensetzt.
Die bei weitem größte Gruppe der mittleren und höheren
Beamten besteht aus Obersalzinspektoren, Kreiseinnehmern, einem Oberlandschaftssyndikus
und ähnlichen klangvollen Funktionen.