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Vorwort




Die Literatur zum Thema ,Fachsprache' hat ein eigenartiges Beharrungsvermögen, das nicht durch außerlinguistische Sachzwänge zu erklären ist. Zu lange schon ist in den letzten Jahren eine recht kleine Zahl von Themen unter kaum abweichenden Gesichtspunkten immer wieder behandelt worden, ohne daß man eigentlich aus dem Stadium der Literaturkontroversen wieder herausgekommen wäre.

So habe ich mich entschlossen, auf Anregung des Verlag einen Überblick zu schreiben, der zugleich berichtet über die vielen liegengelassenen Forschungsansätze früherer Literatur, über die vielen nicht weiter verfolgten Ideen verschiedenster Provenienz und über die vielen Anregungen aus den Fortschritten der Linguistik, die auch für die Fachsprachenforschung genutzt werden müssen, darunter vor allem natürlich die pragmatischen Theoreme.

Gute Übersichten zum Stand der Forschung bieten nach wie vor Hoffmann (1976), Fluck (in 2. Aufl. 1980) und Beier (1980). Die wesentliche ältere Literatur liegt in v.Hahn (1981) zusammengestellt vor. Nur: diese Werke enthalten sich (ihren Zielen entsprechend) weitgehend der Forschungsperspektive. Dagegen ist das wesentliche Ziel dieses Werks, (alte und) neue Denkanstöße zu vermitteln, selbst auf die Gefahr hin, sich durch heute noch nicht aus Forschung begründbare, zu mutige Aussagen zu exponieren.

Noch ein anderer Gedanke hatte für die Anlage des Buchs große Bedeutung: Das ,"Forschung-Fordern" ist in der Fachsprachenliteratur immer eine ungute Sitte gewesen, das "Forschung-Machen" dagegen zu wenig selbstverständliche Voraussetzung des Schreibens. Auch hier habe ich die Initiative ergriffen und an einigen wichtigen Stellen (z.B. Kap.2.9 oder 5.3) versucht, neue Forschung vorzulegen. Entsprechend begebe ich mich auch hier in Gefahr, zu Vorläufiges mitzuteilen oder nur den Anlaß zur Falsifizierung zu liefern. Dennoch halte ich es für notwendig, auch mit der vorliegenden Veröffentlichung für Forschung zu werben.

So wird man vieles Gewohnte zum Fachsprachenproblem hier vermissen, nach der Lektüre aber vielleicht auch mit mir die Ansicht teilen, daß ,Fachsprache' eben nicht eine stille linguistische Nische ist, in der reduzierte Anforderungen an Methode und Innovationstempo gestellt werden, sondern daß dies ein auch heute noch unüberschaubares Gebiet moderner angewandter Sprachwissenschaft ist, in dem alles andere als Beschaulichkeit waltet.

Ganz bewußt habe ich aus diesem Grunde die von der Linguistik weiter entfernt liegende Literatur aufzuarbeiten versucht (z. B. aus der Bürokommunikation, der Organisationslehre, der Künstlichen Intelligenz oder der Psychologie), um dem I.eser ein Gefühl dafür zu geben, daß der Abstand zwischen den Fächern hier geringer geworden ist und daß man es bei der linguistischen Fachsprachendiskussion mit nur einem Blickwinkel dieses Wirklichkeitsbereichs zu tun hat, und: daß Kooperation dringend geraten ist.

Nicht zuletzt hoffe ich, durch ein überschaubares Beschreibungsmodell (in Kap. 3.2) sowie durch die graphische Repräsentationssprache der Kommunikogramme (in Kap. 5.2.3) Möglichkeiten zum Vergleichen verschiedener Ansätze und Forschungsaktivitäten gegeben zu haben, vielleicht sogar einen Beitrag zu einem Bezugsrahmen künftiger Forschung.

Das Buch ist nicht nur an die Adresse von Linguistik und Germanistik gerichtet, um dieser eine Erweiterung des Diskussionsrahmens vorzuschlagen, sondern könnte auch für die Betriebswirtschaft eine Brücke zur Linguistik schlagen und damit zugleich eine weniger mechanistische und verkürzte Theorie betrieblicher Kornmunikation entwerfen.

Herzlich danken möchte ich M. Korn für unermüdliche Hilfe bei der Materialbeschaffung und Unterstützung bei den Korrekturarbeiten. Petr Sgall danke ich für kenntnisreiche und konstruktive Kritik, die ich nur noch teilweise einarbeiten konnte. Rudolf Beier las eine erste Fassung des 3. Kapitels und gab mir wertvolle Anregungen.
 

Hamburg, Juni 1983

W. v. Hahn
 


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