Geschaefts Modelle

-- von Helena Schulz-- 21. April 2004

Gliederung:

1. Begriff OSS

2. IT-Markt
  • Informationsgüter
  • Struktur des IT-Marktes
  • Wertschöpfungsprozesse bei IT-Unternehmen
3. OSS-MarktUnterschiede in der Wertschöpfungskette
  • Rollen bei der Entwicklung
  • OSS-relevante Markt
4. Modell zur Analyse von Geschäftsmodellen

5. Produkt-Geschäftsmodelle
  • Geschäftsmodell OSS-Distributor
  • Geschäftsmodell OSS-Applikations-Anbieter
  • Geschäftsmodell OSS-Appliance-Hersteller
6. Dienstleistungs-Geschäftsmodell

7. Mediator-Geschäftsmodell

8. Sonstige Geschäftsmodelle

9. Die Zukunft von OSS im kommerziellen Bereich

1. Begriff OSS

1.1 Warum man den Begriff „Open Source“ eingeführt hat und nicht bei „Free Software“ geblieben war.

Neben dem Begriff „Open Source Software“ wird auch der verwandte Begriff „Free Software“ (Freie Software) gebraucht, wobei frei im Sinne von „Freiheit“ und nicht von „kostenlos“ gemeint ist. Der Begriff der „Free Software“ stellt die Freiheit des Nutzers im Umgang mit der Software stärker in den Vordergrund und ist auch philosophisch und gesellschaftspolitisch motiviert. Die Free Software Foundation verfolgt einen idealistischen Ansatz. Sie verkörpert eine besondere Philosophie der Freiheit: Nicht nur der Quellcode einer Software muss frei sein, sondern auch an ihm getätigte Modifikationen. Mit diesem Ansatz blieb quelloffene Software von der Wirtschaft und von den Unternehmen weitestgehend ungenutzt. Zum einen kam es zu dem Missverständnis, „free“ stünde für kostenlos und es ließe sich so mit quelloffener Software in keiner Weise Gewinn erwirtschaften. Zum anderen hegten Unternehmen die Befürchtung, dass durch die Verwendung von quelloffener Software ihre eigene „infiziert“ würde, sodass diese dann auch „frei“ sein muss. Die Anhänger der Freien Software vertreten weit höhere Ideale, sie propagandieren eine gesellschaftliche Utopie, während die Akteure der Open-Source-Initiative vor allem das technische Entwicklungsmodell von Software mit offenen Quellen praktizieren. Eins der Ziele der Open-Source-Initiative ist es Open-Source-Software der Wirtschaft näher zu bringen. Die Zusammenarbeit wird gesucht, um die OS-Bewegung zu stärken und um Geschäftsmodelle zu finden, mit denen es möglich wird, mit OSS Gewinne zu erwirtschaften. Durch die initiierten Veränderungen der OSI erlangte Open-Source-Software weiter an Bedeutung unter anderem auch für Wirtschaft und Unternehmen.

2. IT-Markt

2.1. Definition Informationsgüter

Informationsgüter können als Güter klassifiziert werden, weil sie
  • lagerfähig sind, und
  • Produktion und „Verbrauch“ auseinanderfallen können.

Unterschiede zu „anderen“ Güter:
  • unterliegen keiner physischen Abnutzung (Güter ohne Stofflichkeit)
  • können unbegrenzt identisch kopiert werden
  • verkörpern keine dinglichen Eigentumsrechte, sonder Nutzungsrechte

2.2. Struktur des IT-Marktes

Der Software-Produktmarkt unterscheidet sich generell in einigen Eigenschaften von anderen Märkten. Hoch (1999) hat eine Reihe von Merkmalen definiert:

  • Niedrige Eintrittsbarrieren: Die Markeintrittsbarrieren sind im Software-Markt gering. Softwareentwicklung ist wissensorientiert und deshalb leicht kopierbar.
  • Niedrige Investitionen: Im Softwaremarkt sind keine Fabriken, keine Grundstücke und keine Maschinen notwendig. Für die ersten Schritte reichen Büroausstattung, Internetzugang, Hard- und Software und Softwareentwickler.
  • Schnelle Innovationszyklen: Da die Eintrittsbarrieren niedrig sind und wenig Kapital benötigt wird, streben viele Anbieter auf den Markt. Diese setzen auf Innovationen und treiben bestehende Unternehmen wiederum zu neuen Innovationen.
  • Niedrige Grenzkosten: Der erste Datenträger einer Software kann Millionen von Euro kosten, jeder weitere nur noch Cents. In der Softwareindustrie existieren praktisch keine Produktionskosten. Der gesamte Aufwand fällt in der Entwicklung und der Vermarktung der Software an. Deshalb wird Software in möglichst großen Stückzahlen für möglichst große Märkte produziert.
  • Kampf um die Marktführerschaft: Softwareunternehmen profitieren überdurchschnittlich stark von hohen Marktanteilen. Produkte, die hohe Marktanteile haben und weiter Marktanteile gewinnen, wachsen wiederum überdurchschnittlich stark. Produkte mit fallenden Marktanteilen verlieren besonders viele Marktanteile. Der Grund für dieses Phänomen ist, dass der Nutzen für die Anwender bei hohen Marktanteilen größer wird (niedrigere Schulungskosten, Gewöhnung, einfachere Bedienung, Bevorzugung erfolgreicher Software, höhere Wechselkosten) und dies wiederum positives Feedback für weiteres Wachstum erzeugt.

2.3. Wertschöpfungskette der IT-unternehmen:

  • Forschung/Entwicklung
  • Dokumentation
  • Packaging
  • Marketing/Vertrieb
  • Beratung
  • Implementation/Integration
  • Support
  • Training

Die Softwareentwicklungsunternehmen investieren in Forschung und Entwicklung der Software. Zusätzlich ergeben sich noch weitere Aufgaben wie Beratung, Implementation/Integration und Unterstützung im laufenden Betrieb. Diese späteren Schritte in der Wertschöpfungskette können dabei auch über Partner angeboten werden. Hierzu schließen sich die Entwicklungsunternehmen mit zusammen, die keine eigene Software entwickeln. Die Wertschöpfung dieser Partnerunternehmen liegt in der individuellen Beratung der Kunden und der Anpassung an spezielle Kundenbedürfnisse. Diese Vorgehensweise hat für das Softwareentwicklungsunternehmen den Vorteil, dass es sich auf die Softwareentwicklung konzentrieren kann. Vertrieb und Marketing werden abgekoppelt. Mit der entsprechenden Anzahl an Partnern kann dabei sogar ein Multiplikatoreffekt erzielt werden. Die Softwareentwicklungsunternehmen sind damit (neben der Innovation im universitären Bereich) die eigentliche Quelle der Innovation in der Softwareindustrie.

3. OSS –Markt

3.1 Open Source vs. proprietäre Software – Unterschiede in der Wertschöpfungskette

Mit dem Aufkommen von OSS hat sich dieses Innovationsmonopol verändert. OSS ist mit Quellcode und kostenfrei erhältlich. Das Entwicklungsmonopol wird aufgebrochen, jede Partei kann die Software verändern, etwas hinzufügen und anpassen. Der Prozess der Softwareentwicklung wird dadurch auf mehrere Akteure verteilt, offener, transparenter und vielfältiger. Durch die neuen OSS-Entwickler verändert sich dabei nicht nur das Monopol der herkömmlichen Softwareentwicklung. Auch die Wertschöpfungskette selber kann dabei verändert werden, denn der Quellcode steht jedem Marktteilnehmer offen:
  • Dienstleister können Veränderungen am Quellcode vornehmen und auf individuelle Kundenbedürfnisse anpassen.
  • Softwareanbieter müssen Software nicht von Grund auf selber entwickeln, sondern können auf eine OSS-Basis zurückgreifen.
  • Nicht zuletzt kann auch der Kunde selber das Endprodukt beeinflussen und erhält dadurch eine größere Unabhängigkeit.

3.2 Open Source Entwickler-Nutzer-Beziehungen

Die Entwicklung und Nutzung von OSS ist ein dynamischer Prozess, der sich zwischen Inhabern unterschiedlicher Rollen abspielt.

Entwicklerseite

Den Ursprung nimmt OSS durch die Entwickler. Diese können z. B. Privatpersonen sein, die die OSS-Entwicklung als „Hobby“ in ihrer Freizeit betrachten („private Softwareentwickler“). Diese können aber auch Personen in Unternehmen sein, die im Rahmen einer Anstellung eigenverantwortlich an OSS arbeiten, also durch Unternehmen „gesponsert“ werden („Softwareentwickler in Unternehmen“). Das ist eine häufige Form der Unterstützung der OSS-Community durch OSS-Unternehmen, die dadurch zwar zum Entwicklungsprozess beitragen, aber Art und Form des Beitrags den Mitarbeitern selber überlassen. Es gibt Fälle, bei denen sich ein Unternehmen direkt an der OSS-Entwicklung beteiligt („Unternehmen“). Die Verantwortung liegt dann nicht bei einer Einzelperson, sondern das Unternehmen selber steuert das Projekt. Zu Gruppe der „Akademischen Softwareentwickler“: Man könnte argumentieren, dass die Softwareentwicklern an den Universitäten eine Untermenge der privaten Softwareentwickler und dadurch keine eigene Gruppe darstellen. Erstens aber ist die Anzahl der akademischen Softwareentwickler relativ zahlreich (es sind ca. 25% der weltweiten OSS-Entwickler Studenten oder akademisches Personal), so dass sie eine wesentlich Gruppe darstellen. Zweitens wird OSS folglich nicht nur in der privaten Freizeit geschrieben, sondern entsteht aus gesellschaftlich geförderten Forschungsprojekten, Softwareprojekten oder dem akademischen Lehrbetrieb.

Nutzerseite

Nutzer von OSS-Software können wiederum in verschiedene Rollen aufgeteilt werden. Diese sind erstens „Privatpersonen“, die OSS für private Zwecke einsetzen. Eine weitere Rolle ist die der „Softwareentwickler“. Auch hier könnte man argumentieren, sie sind eine Spezialform der Privatpersonen. Allerdings drückt die eigene Rolle den Aspekt aus, dass viele OSS-Entwickler primär für sich selber oder für „ihresgleichen“ entwickeln. Diese beiden Rollen dominierten die Nachfragerseite von OSS in den Jahren bis ca. 1998.

Unternehmen als Mittler

Eine Zwischenposition nehmen die OSS-Unternehmen ein. Sie sind entweder selbst Entwickler, oder sie sind Mittler zwischen der Entwickler- und der Nutzerseite (wenn der Nutzer ein Unternehmen ist).

3.3 OSS relevante Märkte

OSS kann in den allgemeinen IT-Markt eingeordnet werden: OSS ist dabei im Produkt-, Dienstleistung- und Internet-Marktsegment vertreten.

3.3.1 OSS-Produktmarkt

Der Produktbereich unterteilt sich dabei in Betriebssystem (z. B. Linux-Distribution), Applikationen (z. B. ERP-Software) und Appliances (z. B. Email-Server) für Server, Client und Embedded-Systeme.

3.3.1.1 Der Markt für Betriebssysteme

kann in die drei Zielplattformen Server, Client und Embedded unterschieden werden.

Server-Marktsegment Bemerkenswert ist, dass Linux das einzig wachsende Betriebssystem überhaupt ist und vollzieht dieses Wachstum insbesondere auf Kosten der Unix-Betriebssysteme. Im oberen Serversegment (große Festplattensysteme, große Nutzerzahlen) dominieren dagegen Unix-Betriebssysteme wie z. B. Solaris von Sun und AIX von IBM.

Client-Systeme sind typische Endanwendersysteme. Auf ihnen laufen z. B. Office-Tools, Email-Systeme und Webbrowser. Der Client-Bereich wird von Microsoft und dem Betriebssystem Windows dominiert. Das Konkurrenzsystem Apple spielt nur eine untergeordnete Rolle vor allem im Bereich Multimedia, Design und Druckvorstufe. Der Marktanteil von Linux im Client-Bereich liegt bei ca. 4 Prozent (IDC 2000).

Embedded-Systeme sind Rechnersysteme, die für den Benutzer unsichtbar verbaut sind. Sie werden in der Automobilindustrie, in kleinen tragbaren Geräten und in der Automatisierungstechnik verwendet. Typischerweise sind die Kunden nicht Endkunden, sondern Anbieter von Automatisierungs- oder Industrielösungen, die ein Betriebssystem kaufen und in eigene Lösungen integrieren. OSS ist in der Embedded-Industrie erst seit einigen Jahren vertreten. Allerdings wird OSS aufgrund der Flexibilität, Offenheit, den Preisvorteilen und der Stabilität eine große Zukunft prophezeit, aber es existieren noch Schwächen z. B. im Echtzeitbereich.

3.3.1.2 Der Markt für Applikationen

Auch der Markt für Applikationen kann in die drei Zielplattformen Server, Client und Embedded unterschieden werden: Applikationen im Serverbereich werden für den Betrieb von zentralen Diensten benötigt. Beispiele sind:
  • Betriebswirtschaftliche Standardsoftware (Buchhaltung)
  • Internet/Intranet-Server (Email, Webserver)
  • System-Management-Software (Verwaltung von Computersystemen)
  • Workflow-Software (Steuerung von Arbeitsprozessen)
  • Datenbank-Software
Der Markt für Server-Applikationen ist sehr fragmentiert. Je nach Art der Applikation und der Zielgruppe existieren unterschiedlichste Produkte von einer großen Anzahl von Anbietern. Bekannte Anbieter sind z. B. SAP (Betriebswirtschaftliche Standardsoftware, auch als proprietäre/kommerzielle Lösung für Linux verfügbar), Oracle (Datenbank-Software, auch als proprietäre/kommerzielle Lösung für Linux verfügbar), Microsoft (Exchange Email Server)und Lotus/IBM (Workflow-Software). OSS hat den Schwerpunkt im Bereich der IT-Infrastrukturlösungen wie z. B. Internet/Intranet-Server, Sicherheitssoftware, Datenbankserver. Es existieren zwar vereinzelt Unternehmenslösungen wie z. B. ERP-Systeme oder Workflowsysteme, allerdings sind diese in der Regel nicht Open Source, sondern werden als proprietäre/kommerzielle Software für den Linux-Server-Markt angeboten. Applikationen im Client-Bereich OSS spielt in diesem Marktsegment aufgrund des geringen Marktanteils keine bedeutende Rolle. Es existieren zwar Produkte im Client-Bereich (z. B. Staroffice/Openoffice als Bürosoftware, GIMP für die Grafikbearbeitung), aber der Markt bleibt eine Nische für technisch orientierte Anwender, denn die Bedienung und der Austausch mit kommerziellen Produkten bleiben schwierig.

3.3.1.1 Der Markt für Appliances

Appliances sind Geräte, die aus einer Hardware/Software/Betriebssystem-Kombination bestehen. Je nach Einsatzzweck sind es Server- (z. B. Email-Server, Firewall-Server, Kommunikationsserver) oder Client-Geräte (Set top-Boxen, Thin Clients). Appliances integrieren mehrere Funktionen in einem Gerät und werden als einfach zu bedienende Komplettlösung vermarktet. Technisch gesehen sind Appliances Standardgeräte, bestehend aus Standard (PC-)-Hardware und aus Standard-Betriebssystemen (Windows, Linux). Appliances richten sich an Kunden, die einen konkreten Lösungsbedarf haben. Dieser Bedarf könnte zwar auch durch eine individuell konfigurierte Lösung gedeckt werden. Die Appliances stellen aber als vorinstallierte und vorkonfigurierte Variante eine bequeme und unter Umständen kostengünstigere Alternative zu dieser individuell konfigurierten Lösung dar. Beispiele für Appliances im Server-Bereich (Zielgruppe kleine und mittlere Unternehmen)
  • Email-Appliances sind Geräte, die den Austausch von Emails zwischen Unternehmen und dem Internet organisieren. Internetadressen von Mitarbeitern können eingerichtet und verwaltet werden.
  • Firewall-Appliances sind Sicherheitssysteme, die Schutz vor Zugriffen aus dem Internet bieten und den nternetverkehr in einem Unternehmen überwachen.
  • Kommunikationsserver sind Geräte, die mehrere Funktionen kombinieren und einen Allzweck-Kommunikationscharakter haben. Beispielsweise ermöglichen sie den Internetzugang, Emailaustausch, Proxy-Speicherung, Firewall-Schutz, Fax-Versand und –Empfang.

Beispiele für Appliances im Client-Bereich (Zielgruppe Unternehmen und Privatpersonen):

  • Thin Clients sind einfache Arbeitsplatzrechnersysteme. Oft bestehen sie aus reduzierten Standard-PC-Komponenten (kein Diskettenlaufwerk, keine Festplatte). Sie ermöglichen den einfachen und bequemen Einsatz am Arbeitsplatz, ohne dass der Anwender mit komplexen PC-Eigenschaften überfordert wird. Sie sind zentral verwaltbar und bieten dadurch einen Kostenvorteil. Zielgruppe sind Unternehmen jeder Größe.
  • Set-top-Boxen sind für den Privateinsatz konzipiert und ermöglichen die Verbindung eines Fernsehers oder anderer Heimelektronikgeräte mit digitalen Diensten.

3.3.2 OSS-Dienstleistungsmarkt

Man unterteilt den Dienstleistungsmarkt in „Professional Services“ und „Enterprise Solutions“. Der Unterschied zwischen den beiden Segmenten liegt im Grad der „Produktisierung“ und der Verkaufsanzahl.
  • Professional Services sind hochindividuelle Dienstleistungen, die nur einmal bzw. wenige Male in einer bestimmten Form für einen Kunden erbracht werden.
  • Enterprise Solutions hingegen sind Dienstleistungen mit Produktcharakter. Sie sind zu einem gewissen Grad standardisiert und können für eine größere Anzahl von Kunden verkauft werden.

Besondere Eigenschaften des Dienstleistungsmarktes:
  • Hohe und konstante Grenzkosten
  • Niedrige Fixkosten
  • Hohe Wettbewerb/Fragmentierung
  • Optimierung der Auslastungsquote
  • Verkau vor Fertigstellung

3.3.3 OSS-Internetmarkt

Mit dem Internet-Boom in den letzten Jahren haben sich auch kommerziellen Anwendungen im Internet entwickelt. Einige wichtige Internet-Marktsegmente sind:
  • E-Commerce (Online-Handel mit Produkten)
  • Application Service Providing (Online-Software-Vermietung)
  • Marktplätze (Auktionen, Matching-Funktion)
  • Content (Portale, Communities, Content-Verkauf)
  • Infrastruktur (Internet Service Provider, Telekommunikationsanbieter, Netzbetreiber)

In vielen dieser Märkte spielt OSS eine Rolle, allerdings primär bei der technischen Umsetzung (z. B. OSS als Webserver-Software, Perl als dynamische Web-Programmiersprache, OSS-Sicherheitslösungen als Schutz der Infrastruktur). Diese technologische Rolle ist für die Marktanalyse allerdings weniger interessant, da OSS dort nur Mittel zum Zweck ist. Eine weiteres Marktsegment sind Internetseiten zum Thema OSS. Diese werden ebenfalls nicht weiter betrachtet, weil erstens werbefinanzierte Geschäftsmodelle als nicht tragfähig gelten und zweitens das Geschäftsmodell ein übliches Content-Geschäftsmodell ist und sich nicht vom Geschäftsmodell anderer Internet-Webseiten unterscheidet. Ob auf einer Webseite Information über Open Source, Zeitungsmeldungen oder Gesundheitstips angeboten werden, spielt für die Erlösmechanismen keine Rolle. Das einzige Internet-Marktsegment, in der OSS eine spezifische Rolle spielt, ist das Marktplatzmodell. Internet-Marktplätze betreiben ein „matching“ (Zusammenführen) von verschiedenen Interessengruppen. Im Falle von OSS sind dies Entwickler, Anwender und Dienstleister rund um OSS. Zusätzlich können sich auch Werbeanbieter am Marktplatz beteiligen. Marktplätze unterstützen diese unterschiedlichen Interessengruppen und nehmen dabei eine neutrale Vermittlungsfunktion ein. Im Falle von OSS nennt man die Betreiber solcher Marktplätze auch Mediatoren. Beispiele für Mediatoren im OSS-Bereich sind Berlios (www.berlios.de) und Sourceforge (www.sourceforge.net).

4. Modell zur Analyse von Geschäftsmodellen

Bevor mehrere Geschäftsmodelle verglichen werden, soll zunächst zugrundeliegende Verständnis des Begriffs "Geschäftsmodell" erläutert werden. Ich stelle dafür eine Modell zur wirtschaftlichen Analyse der Geschäftsmodellen vor.

Wichtige Aspekte:
  • Marktpositionierung
  • Gewinnmuster
  • Ressourcenfokus
  • Strategische Absicherung
  • Organisation, Mitarbeiter und Kultur

Die Marktpositionierung beschreibt die Beziehung eines Unternehmens zum Markt. Insbesondere werden hier die Kundensegmente, das eigene Leistungsangebot und die Differenzierung zu den Mitbewerbern beschrieben. Folgende Fragen werden dort beantwortet:
  • Was ist das Produkt?
  • Welchen Preis hat das Produkt?
  • Wer sind die Kunden?
  • Was ist die Marketing- und Vertriebsstrategie?

Das Gewinnmuster beschreibt das Modell, mit dem das Unternehmen aus den Beziehungen zu den Kunden Umsätze erzielt:
  • Wie verdient das Unternehmen Geld?

Der Abschnitt Ressourcenfokus beschäftigt sich mit der Frage, welche Teile der Wertschöpfungskette das Unternehmen selber durchführt (und welche nicht) und welche Ressourcen hierzu benötigt werden:
  • Was macht das Unternehmen selber?
  • Was lagert das Unternehmen an Partner aus?
  • Welche Partner hat das Unternehmen?

Strategische Absicherung sind die Maßnahmen, die das Unternehmen trifft, um sich gegen Wettbewerber abzusichern. Hier werden Markteintrittsbarrieren, Alleinstellungsmerkmale und die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells beschrieben:
  • Warum kaufen die Kunden bei diesem Anbieter?
  • Wer sind Wettbewerber?
  • Was sind Bedrohungspotentiale?
  • Wie schützt sich das Unternehmen vor Nachahmern?

Der Aspekt Organisation, Mitarbeiter und Kultur beschreibt den Kern des Unternehmens, mit dem die vorher beschriebenen Maßnahmen geplant und umgesetzt werden:
  • Welche Anforderungen stellt das Unternehmen an die Mitarbeiter?
  • Welche Organisationsform und Kultur hat das Unternehmen?

Dieses Modell eignet sich deshalb gut für die Analyse von OSS-Geschäftsmodellen, weil es die Umwelt des Unternehmens einbezieht. Sie setzt das Unternehmen in ein Spannungsfeld zwischen Kunden und Wettbewerber und damit neben der Binnenbetrachtung auch die Außensicht auf den Kunden beachtet.

5 Produktgeschäftsmodelle

5.1 OSS-Distributor

5.1.1 Beschreibung

OSS-Distributionen fassen OSS-Komponenten auf Datenträgern zusammen und machen sie durch Installations- und Administrationsroutinen für Endkunden als Komplettprodukt nutzbar. Das Geschäftsmodell der Distributoren besteht aus Entwicklung, Vermarktung, Vertrieb und Support dieser Distributionen. Das OSS-Distributions-Geschäftsmodell unterscheidet sich in einigen Eigenschaften von anderen OSS-Geschäftsmodellen.

  • Es ist das älteste OSS-Geschäftsmodell (SuSE-Gründung 1992).
  • Es ist ein „pures“ OSS-Geschäftsmodell in dem Sinne, dass es ohne OSS nicht existieren würde.
  • Es ist das Geschäftsmodell mit der größten Bedeutung im OSS-Markt. Dies lässt sich daran festmachen, daß einige der Anbieter börsennotiert sind, teilweise zweistellige Euro-Millionen Umsätze erzielt werden und einige hundert Mitarbeiter
beschäftigt werden.

Im folgenden werden Linux-Distributionen als Beispiel für OSS-Distributionen betrachtet (andere OSS-Distributionen sind z. B. (OpenBSD oder FreeBSD). Die wichtigsten Linux-Distributoren sind SuSE (Deutschland), Red Hat (USA), Turbolinux (USA/Japan), Caldera (USA) und Mandrake (Frankreich, Schwerpunkt auf Desktop-Linux).

Der überwiegende Teil einer Linux-Distribution besteht aus frei verfügbaren OSSKomponenten. Nur wenige Komponenten wie z. B. Installationsroutinen, Administrationsoberflächen oder die Hardwareerkennung werden selber entwickelt. Manche Linux-Distributoren geben diese Kernkomponenten nicht als OSS frei, sondern bieten sie nur als proprietäre Software an. In diesem Fall unterliegt die Distribution nicht mehr vollständig der GPL-Lizenz und darf nicht mehr ohne Einschränkungen kopiert werden.

Zusätzlich zum Produktverkauf wird ein Herstellersupport (Telefon, Email) angeboten, der für einen bestimmten Zeitraum kostenlos ist. Das Angebot wird in der Regel auf einen definierten Umfang (Installationsprobleme) begrenzt. Darüber hinaus bieten manche Distributoren eine Wissensdatenbank mit Problemlösungen an, die kostenfrei bzw. durch Registrierung genutzt werden kann.

Alle darüber hinaus gehenden Leistungen werden als professionelle Dienstleistungen bezeichnet und werden später behandelt.

5.1.2 Marktpositionierung

Die Distributoren bewegen sich im Markt der Computer-Betriebssysteme für Server, Clients, und Embedded Systems. Zielgruppen der Distributoren sind sowohl Unternehmen (dort die IT-Entscheider und -Administratoren) als auch Privatkunden.

Distributionen werden in Releases zusammengefasst und mit einer Versionsnummer versehen. Sie werden dabei nach verschiedenen Versionen, Hardwareplattformen (z. B. Intel, Itanium, Embedded) und Zielkunden unterschieden. Releases werden im Abstand von wenigen Monaten produziert und auf Datenträgern wie CD und DVD gepresst und/oder auf Internetservern abgelegt. Viele Distributoren bieten ein Standard-Produkt für Endkunden und eine Professional- Version für Unternehmenskunden an. Die Professional-Version unterscheidet sich dabei technisch nur wenig, ist aber mit zusätzlichen Angeboten auf den Unternehmensmarkt zugeschnitten (24h-Telefonhotline, Schulungsangebot). Teilweise wird auch kommerzielle und/oder proprietäre Software mitgeliefert.

OSS-Distributoren verfolgen eine Branding-Strategie (Aufbau einer hochwertigen Marke).

Distributoren positionieren das Unternehmen gleichermaßen bei Endkunden, Unternehmenskunden und der Open Source Community. Die Linux-Distributoren setzen dabei auf einen Werbemix aus Produkt- (Zeitschriften und Internet) und Unternehmenswerbung (Messeauftritte und Imageanzeigen) und auf PR-Arbeit.

Ein wichtiges Marketinginstrument ist Sponsoring. Da sich OSS-Distributoren in einem Spannungsfeld zwischen der nicht monetär orientierten Open Source Community und der eigenen kommerziellen Ausrichtung befinden, geben die Unternehmen durch Sponsoring etwas an die Linux-Community "zurück". Beispiele sind gesponserte Anwendertreffen (Linux User Groups), Messen, Kongresse und die Unterstützung von OSS-Entwicklern.

Die Linux-Distributoren setzen in der Regel auf mindestens drei Distributionskanäle.
  • Erstens den Direktverkauf über die Internetseiten des Distributors,
  • zweitens den Vertrieb über Presse und Einzelhandelskanäle (Buchhändler, Zeitschriften etc.) und
  • drittens Partnerschaften mit Computerherstellern. SuSE und Red Hat kooperieren z. B. mit IBM und Compaq
(vorinstallierte Linux-Computersysteme) sowie kleinen und mittleren IT-Dienstleistern, die Distributionen im Rahmen von Projekten einsetzen. Die Partner können dabei auch Dienstleistungen von den Distributoren beziehen (1st level support, Wartungsverträge) und sind dann gleichzeitig auch Kunden.

5.1.3 Gewinnmuster

Das Gewinnmodell der Distributoren besteht aus dem Verkauf von Linux-Distributionen auf Datenträgern über Partner an Endkunden. Dabei wird ein einmaliger Kaufpreis erzielt. Es fallen keine weiteren Gebühren oder Erlöse an. Die Distributoren bieten regelmäßig neue Releases an (bei SuSE ca. vier mal pro Jahr). Manche Distributoren (z. B. Red Hat) legen die Distribution vollständig zum download bereit. In diesem Fall wird mit dem Produkt überhaupt kein Umsatz erzielt. Weiterhin bieten die Distributoren zusätzliche Dienstleistungen wie Support, Wartungsverträge und u.U. Integration/Implementation an.

5.1.4 Ressourcenfokus

Das Geschäftsmodell der Distributoren umfasst die Bereiche Forschung/Entwicklung, Dokumentation, Packaging, Marketing/Vertrieb und Support aus der Wertschöpfungskette.

Partner der Distributoren sind z. B.
  • Entwicklungspartner, die Software zuliefern (OSS-Entwickler oder Unternehmen)
  • Marketing- und Vertriebspartner (Buchhändler, Hardwarehersteller)
  • Dienstleistungspartner (z. B. große IT-Anbieter und regionale Systemhäuser, Dienstleister und Integratoren)

5.1.5 Strategische Absicherung

OSS-Distributoren haben im Gegensatz zu Herstellern proprietärer Software keine Möglichkeit, ihre Software zu schützen. Die Software auf den Distributionen steht unter der GPL und ist deshalb frei kopierbar. Teilweise dürfen sogar die gesamten Distributionen frei kopiert werden (Red Hat; SuSE hingegen schützt sich vor dem Kopieren der gesamtem CD, indem nicht alle Komponenten unter der GPL stehen).

Die Distributoren setzen deshalb zur strategischen Absicherung auf die Etablierung einer globalen Marke und eines Standards mit möglichst hoher Verbreitung. Die Markteintrittsbarrieren für Mitbewerber sind dabei relativ gering, denn die OSSKomponenten der Produkte sind für jeden Mitbewerber frei verfügbar.

Die Käufer der Linux-Distributionen verfügen über keine hohe Macht. Die Zielgruppen sind stark fragmentiert (geographisch, unterschiedliche Einsatzzwecke von privat bis kommerziell) und es existieren viele sehr kleine Einkaufsvolumina. Strebt ein Kunde einen Systemwechsel auf eine andere Betriebssystemtechnologie (Windows, Unix oder z. B. SuSE zu Red Hat) an, entstehen Umstellungskosten. Dadurch werden die Kunden an die eigene Distribution gebunden.

Da die Preise für die Linux-Distributionen niedrig - im Vergleich mit kommerziellen Produkten sogar sehr niedrig sind - kann man von einer relativ hohen Preissensitivität der Kunden ausgehen, insbesondere im Privatbereich. Proprietäre Produkte können deshalb nicht über Preisstrategien, sondern nur über Leistungsdifferenzierung in den Markt eingeführt werden.

Mögliche Bedrohungen für die Produkte der Distributoren sind alternative Bezugswege für die Distribution. Bedeutsam ist hierbei vor allem der download der Distribution aus dem Internet, da hier kein Umsatz generiert wird. Im Moment kann diese, von den Distributoren sogar geförderte, Möglichkeit mit der Marken- und Standardisierungsstrategie begründet werden. Langfristig nimmt diese Bedrohung zu, da immer mehr Anwender über Hochgeschwindigkeitszugänge verfügen und das Internet als Vertriebskanal an Bedeutung gewinnt. Eine weitere Bedrohung der Distributionen sind vorinstallierte Computersysteme. Bei wachsendem Marktanteil ist davon auszugehen, dass die Zahl der vorinstallierten OSS/Linux- Computersysteme zunehmen wird. Wenn die Distribution komplett unter der GPL steht - wie im Falle von Red Hat - muss der Computerhersteller dabei keine Lizenzabgaben oder sonstige Abgaben an den Distributor zahlen, der Umsatz für den Distributor fällt also in kompletter Höhe weg. Eine theoretische Bedrohung der Marktstellung der Distributoren liegt im Verhältnis zu den Entwicklern. Sollte aus irgendeinem Grund - beispielsweise durch die Verletzung der GPL oder dem „Missbrauch“ einer Marktposition - ein Linux-Distributor den Unmut der Open Source Community auf sich ziehen, wäre ein Boykottaufruf der OSS-Entwickler denkbar. Es ist allerdings kein ernsthafter Fall bekannt. Selbst wenn es dazu käme, muss das wechselseitige Abhängigkeitsverhältnis der Distributoren und Entwickler berücksichtigt werden. Obwohl die Entwickler kein Geld bekommen, sind sie dennoch auf die Verbreitung der Software angewiesen, denn sonst macht die Entwicklung nur begrenzt Sinn.

5.1.6 Organisation, Mitarbeiter und Kultur

Im Rahmen der Brandingstrategie bauen die Distributoren eine interationale vor-Ort-Präsenz auf. Dabei ist Red Hat am weitesten fortgeschritten. SuSE und Mandrake haben einen europäischen, Turbolinux einen asiatischen Schwerpunkt. Die Organisation der Distributoren teilt sich zum einen in zentrale Softwareentwicklung und zum anderen in Dienstleistungen, die an den jeweiligen Unternehmensstandorten angeboten werden. Für die Softwarentwicklung benötigen die Distributoren qualifiziertes Entwicklungspersonal. Für den Dienstleistungsbereich werden u. a. Berater, Hotlinemitarbeiter und Systemadministratoren benötigt. Einige Distributoren unterstützen ihre Branding-Strategie dadurch, daß sie prominente OSSEntwickler als Mitarbeiter verpflichten. Dadurch entsteht aus Sicht der Kunden eine Qualitätsaufwertung, denn die Technologie wird „aus erster Hand“ geliefert.

5.2 Geschäftsmodell OSS-Applikations-Anbieter

5.2.1 Beschreibung

Bei der Betrachtung von OSS-Applikations-Anbietern kann man drei Fälle unterschieden werden:
  • Fall 1: Ein Unternehmen gibt eine Software, die es zu einem früheren Zeitpunkt proprietär entwickelt hat, ab einem bestimmten Zeitpunkt im Quellcode frei. Hier kehrt das Unternehmen den klassischen OSS-Entwicklungsprozess um und "konfrontiert" die OSS-Welt mit einem fertigen OSS-Produkt (Beispiel: Netscape mit dem Netscape-Browser, genannt Mozilla).
  • Fall 2: Ein Unternehmen beginnt, eine Software ab einem bestimmten Zeitpunkt unter einer OSS-Lizenz zu entwickeln. Der zweite Fall verläuft analog zum klassischen OSS-Entwicklungsprozess. Der einzige Unterschied besteht darin, dass keine bzw. nur wenige unabhängige Personen an dem Projekt arbeiten, da ein einzelnes Unternehmen den Prozess dominiert (Beispiel: Red Hat/GNOME).
  • Fall 3: Ein Unternehmen "übernimmt" zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bis dato existierendes OSS-Projekt und betreut dieses ab diesem Zeitpunkt kommerziell. Gründe für diesen Fall können z. B. sein, dass der oder die Hauptentwickler das Projekt nicht mehr weiter betreuen können oder wollen oder, dass das Projekt so erfolgreich ist, dass es zu viel Ressourcen beansprucht. Hier wechselt der Charakter des OSS-Modells zu diesem Zeitpunkt von frei auf kommerziell.

5.2.2 Marktpositionierung

Die Anbieter dieses Geschäftsmodells bewegen sich im gesamten Markt für Software-Applikationen. Dieser umfasst alle Arten von Betriebssystemen, Hardwareplattformen und Anwendungszwecken. Meistens werden OSS-Applikationen für OSS-Betriebssysteme (Linux) entwickelt. Eine Reihe von OSS-Softwaretools aus der OSS-Community sind interessanterweise auch für proprietäre Systeme verfügbar, z. B. Apache und Perl für Windows.

Für die Betrachtung des Geschäftsmodells ist es egal, um welche Art von Software es sich genau handelt. Der zugrundeliegende Mechanismus des Geschäftsmodells ist davon nicht betroffen. Je nach Art der Software variiert entsprechend auch die Zielgruppe.

Die Vermarktung der Software findet meist mit Hilfe der OSS-Community statt. Je "glaubwürdiger" und akzeptierter das Gewinnmodell ist, desto mehr wird die Community die Software bekannt machen und nutzen. Dies geschieht z. B. durch Webseiten, in Newsgroups, auf Messen und in Zeitschriften. Die Software wird in der Regel auf Projekt-Homepages im Internet oder bei OSS-Mediatoren bereitgestellt. Der Vertrieb der Produkte erfolgt über das Internet, in seltenen Fällen können Datenträger und Handbücher bestellt werden (z. B. bei Staroffice). 5.2.3 Gewinnmuster

Beim Geschäftsmodell OSS-Applikations-Anbieter können folgende Gewinnmuster unterschieden werden:

Verschenken der Software

In diesem Fall gibt der Anbieter die Software komplett unter einer OSS-Lizenz frei. Dem Anbieter ist es praktisch nicht mehr möglich, mit dem Verkauf der Software Erlöse zu erzielen (laut GPL zwar möglich, aber nicht praktikabel). Zwar behält der Anbieter oft noch eine Schlüsselfunktion (z. B. die Homepage des OSS-Projekts), aber in der Konsequenz befindet er sich auf der gleichen Stufe wie jeder andere Entwickler (und Mitbewerber). Ein Beispiel für dieses Modell ist der Anbieter Sun mit dem OSS-Office-Produkt OpenOffice, das ursprünglich proprietär und kommerziell war. Dieses Variante ist die radikalste Ausprägung des Geschäftsmodells. Der Anbieter verschenkt Software ohne primäre Gegenleistung und hat u. U. sogar noch laufende Kosten (Koordination des Entwicklungsprozesses, Infrastruktur, Personalkosten etc.). Für den Anbieter kann sich diese Variante wirtschaftlich nur lohnen, wenn er eine Überleitung zu Sekundärgeschäftsmodellen vornehmen kann. Eine andere Motivation für das Verschenken der Software kann darin liegen, dass sich ein Anbieter von dem Produkt keinen kommerziellen Erfolg mehr verspricht. Dieser Schluss liegt z. B. beim Netscape-Browser/Projekt Mozilla und beim Office-Paket Sun Staroffice/Projekt OpenOffice nahe: Beide Unternehmen haben den Wettbewerb gegen Microsoft verloren und machen „aus der Not eine Tugend“. Anstatt einen bereits verlorenen Kampf gegen den Marktführer zu führen, attackieren sie ihn mit einer freien Variante. Mögliche Vorteile sind der Imagegewinn und die Schwächung der dominanten Position von Microsoft, die ja wiederholt zum Eintritt in neue Märkte genutzt wurde.

Lizensierung nach Zeit

Dieses Modell stellt eine Variante des oben genannten Modells dar. Der wesentliche Unterschied ist, dass der Anbieter die Software in Versionen unterteilt und diese unterschiedlich behandelt. Aktuelle Versionen der Software sind kommerziell (nicht unbedingt proprietär). Ab einem bestimmten Zeitpunkt (feste Zeitspanne oder bei Erscheinen einer neuen Version) wird die Version unter einer OSS-Lizenz freigegeben. Mit diesem Verfahren geht der Hersteller einen Mittelweg: Die Investitionen in die Entwicklung sind für einen Zeitraum geschützt und können wirtschaftlich genutzt werden. Die Herausforderung dieses Modells besteht erstens darin, zahlende Kunden zu finden, obwohl der Kunde ab dem Freigabezeitpunkt die Software auch unentgeltlich nutzen könnte. Die zweite Herausforderung besteht darin, die OSS-Entwicklung „in Schwung“ zu bringen, denn wegen des kommerziellen Kompromisses (der ja primär dem Anbieter nutzt), könnten unabhängige OSS-Entwickler kein Interesse an der Mitarbeit haben.

Lizenzierung nach Zielgruppe

Diese Variante differenziert nicht nach Zeitpunkt, sondern nach Zielgruppe. Der Anbieter unterteilt die Kunden beispielsweise nach Privatkunden und Unternehmen (Variante: kleine Unternehmen/große Unternehmen). Je nach Segment wird die Software dann kostenfrei oder kommerziell angeboten, in beiden Fällen ist sie OSS. Ein Beispiel für diese Variante ist die freie Datenbank MySQL. Sie ist nur dann kostenpflichtig, wenn ein Dritter das Produkt verkauft oder in ein eigenes Produkt integriert.

Lizenzierung nach Leistungsumfang

In dieser Variante differenziert der Anbieter das Produkt in verschiedene Versionen, die unterschiedlichen Leistungsumfang besitzen. Eine Basiskomponente wird als OSS freigegeben. Diese Basiskomponente ist einsatzfähig und hat auch einen Nutzen. Wenn die Ansprüche des Benutzers wachsen, wird eine professionelle, kostenpflichtige Version angeboten. Diese Modell operiert mit einem „Lockeffekt“. Der Vorteil für den Anbieter ist die kostenlose Werbung, der Vorteil für den Anwender die Testmöglichkeit. Lizenzierung nach Zielplattform

Einige Anbieter lizenzieren Softwareprodukte nur auf bestimmten Plattformen als OSS. Beispielsweise ist die Softwarebibliothek QT des Unternehmens Trolltech kommerziell auf Windows-Systemen, aber kostenfrei für Unix- und Linux-Systemen erhältlich. Allerdings darf mit Produkten, die auf der freien Version basieren, kein Geld verdient werden. Lizenzierung nach Komponenten

Eine weitere Variante ist die Offenlegung einer wirtschaftlich weniger bedeutsamen Komponente, von der der Hersteller strategisch profitiert. Der Anbieter SAP hat beispielsweise die Datenbank SAP DB als Komponente seines ERP-Systems freigegeben und erhofft sich von der Freigabe einen Innovationsschub. Ein andere Form dieser Variante ist die Freigabe einer Clientsoftware, während das gleichzeitig notwendige Server-Produkt kommerziell und/oder proprietär bleibt. Proprietäre Software für OSS

Einige Anbieter bewegen sich zwar im OSS-Markt, bieten aber selber keine OSS-Software an. So verkauft z. B. der Anbieter Covalent proprietäre Zusatzsoftware zum Webserver Apache. Es handelt sich allerdings nicht um OSS-Geschäftsmodelle. Im Grunde sind die Anbieter normale Softwareunternehmen, die kommerzielle, proprietäre Software für OSS-Betriebssysteme anbieten. Überleitung zu sekundären Gewinnmodellen

Häufig beschränken sich die Anbieter von freier Software nicht auf das Softwaregeschäft, sondern bieten zusätzlich Sekundärleistungen an. Diese finden sich in den späteren Abschnitten der Software-Wertschöpfungskette (z. B. Hersteller-Support für die Software, Wartungsverträge, Dokumentation und Training). Vergleichbar ist diese Vorgehensweise mit dem Rasierproduktenhersteller Gillette. Desse Rasierer werden zu niedrigen Preisen angeboten bzw. sogar verschenkt (Primärprodukt). Der langfristige Ertrag wird mit dem wiederholten Kauf der Rasierklingen (Sekundärprodukt) erzielt. Die Käufer der Gillette-Produkte sind aufgrund der proprietären Eigenschaften gezwungen, Gillette-Klingen zu verwenden (nur Original-Klingen passen). Genau solch ein systembedingter Zwang fehlt aber bei OSS! Ein Vertreter dieses Modells ist der Softwareanbieter Zope Corporations mit ihrem Applikationsserver Zope. Die Software ist Open Source und der Hersteller bietet ein umfangreiches Business-Service-Angebot für die Software. Die Freigabe als OSS ist folglich ein Kompetenz- und Glaubwürdigkeitsbeleg für die Sekundärangebote.

5.2.4 Ressourcenfokus

Die OSS-Applikationsanbieter haben in der Regel keine Partner, da die Software direkt über das Internet vertrieben wird. Eventuelle Dienstleistungspartner würden mit dem sekundären Gewinnmodell konkurrieren

5.2.5 Strategische Absicherung

Die strategische Absicherung der Anbieter erfolgt über zwei Faktoren: Preis und Standardsetzung. Der Preis ist ein starker Absicherungsfaktor, denn er kann in diesem Modell nicht unterboten werden. Für einige Mitbewerber wird es nicht möglich sein, die Software kostenlos freizugeben, z. B. weil der Anbieter zu klein ist oder weil die Software einen strategischen Faktor darstellt.

Die Standardsetzung ist der zweite Absicherungsfaktor. Gelingt es einem Anbieter, mit einem OSS-Produkt einen Industriestandard zu setzen, schließt er Mitbewerber aus dem Wettbewerb aus. Im Sinne der Netzwerkeffekte verstärken sich einmal gesetzte Standards noch weiter, und wenn die Software noch dazu umsonst zu haben ist, werden die Kunden kaum zu Mitbewerbern wechseln. Die Sekundärgewinnmodelle werden über das primäre Gewinnmodell abgesichert: Die Freigabe der Software belegt Kompetenz und Glaubwürdigkeit. Die Käufer besitzen in der Regel wenig Macht, da sie wenig Druck aufbauen können, insbesondere wenn der Anbieter das einzige Unternehmen aus dem Marktsegment ist, der das Produkt verschenkt. Mögliche Bedrohungen sind andere OSS- oder proprietäre Produkte. Für letztere bleibt nur die Leistungsdifferenzierung der eigenen Produkte z. B. durch bessere Qualität, mehr Leistungsumfang oder Support.

5.2.6 Organisation, Mitarbeiter und Kultur

Diese Faktoren unterscheiden sich nicht von den in der Softwarebranche üblichen Faktoren. Das Zentrum der Unternehmenstätigkeit ist die Softwareentwicklung. Es ist keine überregionale Organisation notwendig.

5.3 Geschäftsmodell OSS-Appliance-Hersteller

Appliances sind Geräte, die aus einer Hardware/Software/Betriebssystem-Kombination bestehen. Die Anbieter entwickeln zusätzlich zum OSS-Betriebssystemkern eigene Applikationen für die Schnittstelle zum Benutzer (Administration, Bedienoberfläche, Updatefunktionen und ähnliches). Diese Applikationen sind meist proprietär, was aber nicht der GPL widerspricht, da die Software zwar zusammen aufgespielt ist, aber nicht logisch/technisch aufeinander aufbaut. Der Support der Appliances wird in der Regel über Partner abgewickelt. Der Partner betreibt beispielsweise einen telefonischen Support und/oder eine Vor-Ort-Unterstützung (first level). Der Partner kann wiederum Support beim Hersteller einkaufen (second- oder third-level Wartungsvertrag), wenn es um komplexere Probleme geht. Beispiele für Appliance-Anbieter:
  • Server-Appliances:Cobalt/Sun, IBM Whistle, VA Software, eSoft
  • Thin Clients: IBM NetVista, Linware, Wyse
  • Set top boxen: Nokia, PersonalTV, TiVo

5.3.1 Marktpositionierung

Die meisten Appliance-Anbieter haben ein ganzes Portfolio von Appliances. Dieses gliedert sich nach Einsatzzweck (verschiedene Aufgaben) und nach Zielgruppe (Standard oder Professional).Zielgruppe der Appliances sind Unternehmen oder Privatpersonen, die die angebotenen Funktionen benötigen, diese aber nicht selber installieren wollen oder können. Appliances konkurrieren mit individuell konfigurierten Softwarelösungen. Bei diesen Lösungen fällt neben den Kosten für Hardware, Betriebssystem und Applikationen auch Arbeitsaufwand an. Deshalb sind Appliances in der Regel preiswerter.

Appliances werden in der Regel über Partner vertrieben. Die Promotionaktivitäten werden deshalb primär im Umfeld der Partner durchgeführt (gemeinsame Messeauftritte und Anzeigenschaltungen). Die Vermarktung der Produkte steht im Vordergund (im Gegensatz zur stärkeren Vermarktung des Herstellers wie z. B. bei den Distributor-Geschäftsmodellen). Im Privatbereich werden Appliances über den Einzelhandel (Media Markt, Red Zac), im Unternehmensbereich über Partner (Distributoren, kleine IT-Systemhäuser, IT-Händler) vertrieben.

5.3.2 Gewinnmuster

Das Gewinnmodell besteht aus dem Verkauf der Appliance-Produkte über Partner an Endkunden. Hinzu kommen Erlöse aus Wartungsverträgen und Supportanfragen der Partner und evtl. Updates. Zusätzliche Erlöse können aus Partnerschaften mit Softwarelieferanten kommen, deren Produkte in die Appliances integriert werden (Vertriebsprovision).

5.3.3 Ressourcenfokus

Das Geschäftsmodelle der Appliance-Hersteller schließt die Teile Forschung/Entwicklung, Dokumentation, Packaging und Marketing/Vertrieb ein.

Partner der Appliance-Hersteller sind z. B.
  • Entwicklungspartner, die Software zuliefern (OSS-Entwickler oder Unternehmen)
  • Marketing- und Vertriebspartner (Großhändler, Hardwarehersteller, Einzelhändler)
  • Dienstleistungspartner (kleinere Systemhäuser und Integratoren)

5.3.4 Strategische Absicherung

Die strategische Absicherung erfolgt über den Preis und die installierte Basis. Appliances sind Massenprodukte. Große Volumina sind entscheidend. Eine große installierte Basis sichert wiederkehrende Umsätze über Updates, neue Appliances und Partner-Wartungsverträge. Für Appliances gelten ähnliche Bedingungen wie bei den OSS-Distributionen. Der Appliance-Markt ist relativ preissensitiv, da es sich um einen Massenmarkt handelt. Bessere Einkaufskonditionen für die Hardware durch größere Volumina ermöglichen einen Marktvorteil. Ebenso entscheidend ist die Qualität der Vertriebskanäle. Je mehr (und bessere) Vertriebspartner ein Hersteller hat, desto besser sind seine Absatzschancen. Hier sind große Unternehmen mit bestehenden Handelsbeziehungen im Vorteil, da größerer Vertriebsdruck erzeugt werden kann. Bedrohungen für OSS-Appliances sind:
  • proprietäre Appliances (Windows-Appliances)
  • individuell konfigurierte Softwarelösungen (internes Projekt mit OSS- oder proprietärer Software)
  • Dienstleistungsangebote von Systemhäusern und Integratoren Diese Appliance-Alternative ermöglichen alle ähnliche Leistungen, sind allerdingst meistens teurer.

6. Dienstleistungs-Geschäftsmodell

Die bisher beschriebenen Geschäftsmodelle sind Produkt-Geschäftsmodelle. Bei einem Dienstleistungs-Geschäftsmodell wird kein eigenes Produkt entwickelt, sondern es werden Dienstleistungen für existierende OSS-Produkte angeboten (Beratung, Integration, Installation, Support, Schulungen). Das OSS-Dienstleistungsgeschäftsmodell hat sich zum „kleinsten gemeinsamen Nenner“ der OSS-Geschäftsmodelle entwickelt. Fast alle Geschäftsmodelle rund um OSS haben (auch) einen Dienstleistungsanteil. Unterschiedlich ist vor allem die Angebotstiefe und -breite: Sie kann vom einfachen Email-Support bis zur kompletten Dienstleistungspalette reichen. Von allen OSS-Geschäftsmodellen ist das Dienstleistungsmodell das unumstrittenste, weil es herkömmlichen Geschäftsmodellen sehr ähnlich ist. Vergleicht man klassische ITDienstleister rund um proprietäre Software wie z. B. Accenture oder IBM Global Services mit OSS-Dienstleistern, sieht man faktisch wenige Unterschiede. In der Konsequenz ist es egal, ob man Beratung für betriebswirtschaftliche Standardsoftware oder OSS-basierte Firewalls anbietet. Die dahinterliegenden Prozesse und Mechanismen sind nahezu identisch.

Ein Unterschied zwischen proprietären- und OSS-Dienstleistern besteht allerdings in der fehlenden Herstellerbeziehung. Viele proprietäre Dienstleister sind Partner von großen Softwareunternehmen. Diese binden die Dienstleister in Form von Partnerprogrammen an sich (Unterstützung in Form von Schulungen, Marketing und ermäßigten Lizenzen). Dies ermöglicht ein Zusatzgeschäft durch Softwarelizenzhandel. Ein typisches Beispiel für dieses Geschäft sind die Partner von großen ERP-Herstellern wie SAP, die eng mit dem Hersteller zusammenarbeiten und einen Teil ihres Umsatzes mit Lizenzhandel erzielen. Dieses Zusatzgeschäft fehlt OSS-Dienstleistern komplett. Die OSS-Dienstleister nehmen zusätzlich eine Qualitätssicherungsfunktion für die OSSKomponenten ein. Dabei muß der Dienstleister testen, korrigieren und mit OSS-Entwicklern kommunizieren, was die Kosten zusätzlich erhöht.

6.1 Marktpositionierung

OSS-Dienstleister bewegen sich im Markt für IT-Dienstleistungen. Zielgruppe sind in der Regel IT-Entscheider in Unternehmen, keine Privatpersonen. Dienstleister bieten kundennahe Wertschöpfungsschritte wie Beratung, Analyse, Konzeption, Integration, Netzwerkadministration, Sicherheitskonzepte, Implementation, Support, remote Management (Wartung von Systemen über Telefonleitung oder das Internet) und Training an. Diese Angebote können teilweise auch einen Produktcharakter besitzen (z. B. bestimmte Supportangebote, die in Form von Wartungsverträgen zusammengefaßt und mit einer garantierten Reaktions- und Behebungszeit kombiniert werden). Diese Quasi-Produkte haben für den Dienstleister den Vorteil, daß regelmäßige, planbare Umsätze erzielt werden.

Die Vermarktung von Dienstleistungen unterscheidet sich von der der Produkthersteller. Da Vertrauen und Kompetenz im Vordergrund stehen, sind Anzeigen weniger geeignet. Dienstleister setzen auf Kompetenzdarstellung im Rahmen von Konferenzen, Messen oder in Fachartikeln und „Mund-zu-Mund-Propaganda“.

6.2 Gewinnmuster

Das Gewinnmuster im Dienstleistungsbereich besteht aus dem Verkauf von Personensätzen (überlichweise Stunden-, Tages- oder Monatssätze). Dabei ist der Auslastungsgrad der Mitarbeiter entscheidend, denn die Fixkosten (Personalkosten, Inftrastrukturkosten usw.) fallen unabhängig von der Auslastung an.

6.3 Strategische Absicherung

OSS-Dienstleister befinden sich in einem stark fragmentieren Markt mit vielen Anbietern. Die Beziehung Kunde-Anbieter basiert auf Vertrauen und Kompetenz. Vertrauen und Kompetenz sind allerdings nicht schützbar, sondern können von jedem Anbieter aufgebaut werden. OSSDienstleister können versuchen, durch Beschäftigung- und Unterstützung von prominenten Open Source-Entwicklern oder der Förderung von OSS-Projekten eine besondere Kompetenz im OSS-Bereich aufbauen, die sie von anderen Wettbewerbern unterscheidet.

Die Markeintrittsbarrieren im Dienstleistungsbereich sind sehr gering. Eindringlinge sind Dienstleister von proprietären Betriebssystemplattformen (Unix, Windows) auf der einen Seite und IT- und Strategieberater wie accenture oder McKinsey auf der anderen Seite. Wächst der OSS-Markt weiter, werden auch diese den OSS-Dienstleistungsmarkt betreten. Etablierte Dienstleister haben dabei den Vorteil, daß sie über weltweite Erfahrung und bestehende Kundenbeziehungen verfügen. Die Kunden haben im Dienstleistungsbereich eine relativ große Macht. Im Gegensatz zum Produktgeschäft haben Dienstleister weniger Kunden mit höheren Umsätzen pro Kunde.

Mögliche Bedrohungen für die OSS-Dienstleister sind die immer leistungsfähigeren Betriebssysteme und Softwareangebote. Dienstleistungen können nur verkauft werden, wenn der Kunde eine Leistung nicht selber erbringen kann oder will. Wird Software immer einfacher bedienbar, so daß sie ohne Spezialwissen eingerichtet werden kann, sinkt der Bedarf an fremder Dienstleistung (Microsoft-Strategie). Andere Bedrohungen sind Appliances, die Teile der Wertschöpfungskette in einfach zu bedienende Komplettprodukte zusammenfaßt und damit in Konkurrenz zu den Dienstleistungen treten.

6.4 Organisation, Mitarbeiter und Kultur

Die Organisation der OSS-Dienstleister ist auf Dienstleistungsprozesse für Kunden ausgerichtet (Beratung, Systemadministration, Projekcontrolling etc.). Die Kunden stehen im Vordergrund, deshalb unterscheidet sich die Kultur von Softwarentwicklungsunternehmen. Im Dienstleistungsbereich benötigen die Mitarbeiter neben Fachwissen auch „soft skills“. Der Grad der Auslastung ist für die Profitabilität entscheidend. Deshalb müssen die Prozesse straff organisiert und durch geeignete Maßnahmen wie z. B. Zeiterfassung und Projektmanagement kalkulierbar, überprüfbar und abrechenbar sein.

7. Mediator-Geschäftsmodell

Mediatoren bringen verschiedene Interessensgruppen im Umfeld von OSS über einen Marktplatz zusammen (Entwickler, Nutzer, Dienstleister, Werbetreibende). Der bekannteste OSS-Mediator ist Sourceforge, ein Tochterunternehmen des Appliance- Herstellers VA Software. Sourceforge stellt eine technische Infrastruktur zur Verfügung, mit der Entwickler Software schreiben, ablegen, verwalten und kompilieren (in Maschinencode übersetzen) und die Entwickler miteinander kommunizieren können. Nutzer von OSS können über Projekt-Homepages Softwarepakete, Anleitungen und Dokumentationen downloaden. Das Angebot für Entwickler besteht aus Verwaltung, Hosting und Vermarktung von OSSProjekten. Das Angebot für Nutzer ist die zentrale Anlaufstelle für Recherche und Auswahl von OSS-Softwarekomponenten. Das Angebot für Sponsoren und Werbetreibende ist zielgruppenspezifische Werbung, das Angebot für OSS-Dienstleister die Vermarktung und der Vertrieb der Dienstleistungen. Einnahmequellen der Mediatoren sind erstens der Verkauf von Bannern an Werbetreibende, zweitens Erlöse aus dem Vertrieb evtl. Commerce-Produkte (Bücher, Datenträger) und drittens Einnahmen durch die OSS-Dienstleister.

8. Sonstige Geschäftsmodelle

Der folgende Abschnitt beschäftigt sich mit sonstigen OSS-Geschäftsmodellen. Sie sind an dieser Stelle aufgeführt, weil sie nur am Rande mit OSS zu tun haben oder Kombinationen bzw. Variationen der oben beschriebenen Modelle darstellen.

Embedded OSS

Geschäftsmodelle für Embedded-OSS sind im wesentlichen Mischungen aus dem Distributions- und dem Dienstleistungsmodell. Die Distributionen sind speziell für den Einsatz auf kleine Hardwareumgebungen(kleine CPU, wenig Speicher, Echtzeitumgebung) ausgelegt und optimiert. Cook (2000) beurteilt Linux aus folgenden Gründen positiv im Vergleich zu den typischerweise verwendeten „Eigenbau“-Betriebssytemen („home grown“): Linux ist standardisiert und Open Source. Es ist modular aufgebaut, kann auf spezifische Hardwareumgebungen angepaßt werden, ist preiswert und die Kompetenzen auf Entwicklerseite sind zahlreich vorhanden. Als nachteilig sieht er den vergleichsweise großen Umfang des Linux-Kernels, der relativ große Anforderungen an die Hardware stellt. Weiterhin bemängelt er die fehlende Echtzeitfähigkeiten, Treiber und Herstellersupport. Die meisten Embedded-Distributionen werden unter OSS-Lizenzen vertrieben. Zusätzlich bieten die meisten Hersteller umfangreiche Services im Embedded-Bereich wie z. B. die Anpassung der Distribution auf spezielle Zielsysteme oder die Wartung von installierten Systemen an.

Vorinstallierte Hardware

Im Zuge des wachsenden OSS-Marktes haben einige Hardwarehersteller begonnen, ihre Hardwaresysteme auch mit Linux vorzuinstallieren (Beispiele: Dell, IBM und Compaq). Das Angebot besteht aus PC-Systemen (Server, selten Desktop) kombiniert mit üblichen Distributionen. Aus OSS-Sicht handelt es sich um ein typisches PC-Hardware- Geschäftsmodell, es findet keine Wertschöpfung im OSS-Softwarebereich statt.

Große integrierte IT-Anbieter

Die großen Anbieter der IT-Industrie wie z. B. IBM, Compaq, HP und Sun verfolgen integrierte OSS-Strategien. Die meisten von ihnen bieten OSS-Dienstleistungen (Schulung, Support, Beratung), OSS-Applikationen und vorinstallierte Hardware an. Die großen integrierten IT-Anbieter eint die Gegnerschaft zu Microsoft und sie opfern offensichtlich einen Teil ihrer Unix-Kunden zugunsten von Linux.

Linux-Hotel

Ein Hotelanbieter in Essen vermarktet sein Hotel als voll ausgestattetes Linux-Hotel. Gäste können einen PC-Raum mit Linux-Rechnern benutzten. Motto des Anbieters: „Linux im Linuxhotel zu lernen, ist wie Englisch in England“ (www.linuxhotel.de)

9. Die Zukunft von OSS im kommerziellen Bereich

OSS und insbesondere der prominente Vertreter Linux hat sich auf Nachfragerseite in bestimmten Bereichen durchgesetzt. Linux hat einen Marktanteil von ca. 25% im Serverbereich erobert und ist dort das einzige Betriebssystem mit wachsenden Marktanteilen. Am stärksten vertreten ist OSS dabei im Bereich der Infrastrukturlösungen wie z. B. der Einsatz im Intranet, als Virtual Private Network, als Internetserver und in heterogenen Netzen für kleine und mittlere Unternehmen und Abteilungen. Hauptkonkurrent ist dabei eher Unix als Windows. Auch im Embedded-Bereich wird OSS großes Potential zugetraut, allerdings ist dieser Markt aufgrund sehr vielfältiger Endgeräte und des „in den Hintergrund tretens“ der Software sehr komplex. Auf dem Desktop spielt Linux keine Rolle und es ist auch keine positive Tendenz erkennbar. Im High-End-Bereich hat OSS mit einer starken Opposition durch Unix-Systeme zu kämpfen, aber dort ist durch stetigen technischen Fortschritt ein Aufholpotential erkennbar. Die Verbreitung von OSS ist allerdings aufgrund nicht existierender Schutzmechanismen nicht 1:1 mit einer positiven wirtschaftlichen Entwicklung der Unternehmen koppelbar.

"Aus der Euphorie der späten 90er Jahre ist Ernüchterung geworden. Einige wenige Anbieter wie die Linux-Distributoren SuSE, Mandrake, Turbolinux und Red Hat haben es geschafft, eine erfolgreiche Marktposition aufzubauen. Von diesen Distributoren hat allein Red Hat eine globale Marke im Businessbereich aufgebaut und durch einen frühzeitigen Börsengang die Kapitalbasis für eine weltweite Expansion gesichert. Aber auch die Distributoren haben ihr Geschäftsmodell angepaßt und setzen zunehmend auf sekundäre Dienstleistungen, die so etwas wie den „kleinsten gemeinsamen Nenner“ der OSS-Geschäftsmodelle darstellen. Die Vertreter anderer Geschäftsmodelle befinden sich in einem Selbstfindungsprozeß mit unklarem Ausgang. Einige Vertreter der Dienstleistungs-, Mediatoren- und Applikationsgeschäftsmodelle mussten ihre Tätigkeit sogar ganz einstellen." (Raphael Leiteritz)

Zusammenfassend kann man festhalten, daß sich die hohen Erwartungen an die Open Source- Geschäftsmodelle nicht erfüllt haben. Es bleibt abzuwarten, welche Unternehmen die Krise der OSS-Geschäftsmodelle überleben. Es zeichnet sich jedoch ab, daß nur eine Mischform der Geschäftsmodelle, verbunden mit einer ausgezeichneten Markenpositionierung, guter Kapitalausstattung und Partnerschaften mit großen IT-Unternehmen, erfolgreich sein wird.

"Allerdings kann auch, unabhängig vom gemischten Erfolg der OSS-Anbieter, festgehalten werden, daß OSS die IT-Industrie verändert hat. Die Vorteile von OSS haben zu einem erhöhten Verbraucherbewußtsein, einer kritischen Auseinandersetzung mit Monopolen und zu einer Hinwendung zu offenen Standards geführt. Insofern sind die Vorteile und die Zukunft von OSS ein Stück weit unabhängig vom kommerziellen Erfolg der Anbieter zu sehen." (Raphael Leiteritz)
 
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