Dank der außerordentlichen
Fortschritte der letzten Jahre ist der europäische Prozeß
für die Union und ihre
Bürger zunehmend eine konkrete und relevante Wirklichkeit
geworden. Die Aussichten auf
eine Erweiterung der Gemeinschaft und die sich
vertiefenden Beziehungen zu
anderen europäischen Ländern vergrößern die
Dimension dieser Realität
immer mehr. Inzwischen gibt es in weiten Teilen der
politischen und akademischen
Welt sowie in der öffentlichen Meinung ein wachsendes
Bewußtsein für die
Notwendigkeit der Errichtung eines vollständigeren und
umfassenderen Europas, wobei
wir insbesondere auf seinen geistigen, kulturellen,
sozialen und wissenschaftlich-technologischen
Dimensionen aufbauen und diese
stärken sollten.
Inzwischen ist ein
Europa des Wissens weitgehend anerkannt als unerläßliche
Voraussetzung für gesellschaftliche
und menschliche Entwicklung sowie als
unverzichtbare Komponente der
Festigung und Bereicherung der europäischen
Bürgerschaft; dieses Europa
des Wissens kann seinen Bürgern die notwendigen
Kompetenzen für die Herausforderungen
des neuen Jahrtausends ebenso vermitteln
wie ein Bewußtsein für
gemeinsame Werte und ein Gefühl der Zugehörigkeit zu
einem gemeinsamen sozialen
und kulturellen Raum.
Stärkung stabiler, friedlicher
und demokratischer Gesellschaften ist allgemein als
wichtigstes Ziel anerkannt,
besonders auch im Hinblick auf die Situation in
Südosteuropa.
Die Sorbonne-Erklärung
vom 25. Mai 1998, die sich auf diese Erwägungen stützte,
betonte die Schlüsselrolle
der Hochschulen für die Entwicklung europäischer kultureller
Dimensionen. Die Erklärung
betonte die Schaffung des europäischen
Hochschulraumes als Schlüssel
zur Förderung der Mobilität und
arbeitsmarktbezogenen Qualifizierung
seiner Bürger und der Entwicklung des
europäischen Kontinents
insgesamt.
Mehrere europäische
Länder haben die Aufforderung, sich für die in der Erklärung
dargelegten Ziele zu engagieren,
angenommen und die Erklärung unterzeichnet oder
aber ihre grundsätzliche
Übereinstimmung damit zum Ausdruck gebracht. Die
Richtung der Hochschulreformen,
die mittlerweile in mehreren Ländern Europas in
Gang gesetzt wurden, zeigt,
dab viele Regierungen entschlossen sind zu handeln.
Die europäischen Hochschulen
haben ihrerseits die Herausforderungen angenommen
und eine wichtige Rolle beim
Aufbau des europäischen Hochschulraumes
übernommen, auch auf der
Grundlage der in der Magna Charta Universitatum von
Bologna aus dem Jahre 1988
niedergelegten Grundsätze. Dies ist von größter
Bedeutung, weil Unabhängigkeit
und Autonomie der Universitäten gewährleistet, daß
sich die Hochschul- und Forschungssysteme
den sich wandelnden Erfordernissen, den
gesellschaftlichen Anforderungen
und den Fortschritten in der Wissenschaft laufend
anpassen.
Die Weichen sind gestellt,
und das Ziel ist sinnvoll. Dennoch bedarf es
kontinuierlicher Impulse, um
das Ziel größere Kompatibilität und Vergleichbarkeit der
Hochschulsysteme vollständig
zu verwirklichen. Um sichtbare Fortschritte zu erzielen,
müssen wir diese Entwicklung
durch Förderung konkreter Maßnahmen unterstützen.
An dem Treffen am 18. Juni
nahmen maßgebliche Experten und Wissenschaftler aus
allen unseren Ländern
teil, und das Ergebnis sind sehr nützliche Vorschläge für
die zu
ergreifenden Initiativen.
Insbesondere müssen
wir uns mit dem Ziel der Verbesserung der internationalen
Wettbewerbsfähigkeit des
europäischen Hochschulsystems befassen. Die Vitalität und
Effizienz jeder Zivilisation
läßt sich an der Attraktivität messen, die ihre Kultur für
andere Länder besitzt.
Wir müssen sicherstellen, dab die europäischen Hochschulen
weltweit ebenso attraktiv werden
wie unsere außergewöhnlichen kulturellen und
wissenschaftlichen Traditionen.
Wir bekräftigen unsere Unterstützung
der in der Sorbonne-Erklärung dargelegten
allgemeinen Grundsätze,
und wir werden unsere Maßnahmen koordinieren, um
kurzfristig, auf jeden Fall
aber innerhalb der ersten Dekade des dritten Jahrtausends,
die folgenden Ziele, die wir
für die Errichtung des europäischen Hochschulraumes und
für die Förderung
der europäischen Hochschulen weltweit für vorrangig halten, zu
erreichen:
Einführung eines Systems leicht verständlicher und vergleichbarer
Abschlüsse,
auch durch die Einführung des Diplomzusatzes (Diploma Supplement) mit
dem
Ziel, die arbeitsmarktrelevanten Qualifikationen der europäischen Bürger
ebenso wie die internationale Wettbewerbsfähigkeit des europäischen
Hochschulsystems zu fördern.
Einführung eines Systems, das sich im wesentlichen auf zwei Hauptzyklen
stützt:
einen Zyklus bis zum ersten Abschluß (undergraduate) und einen Zyklus
nach
dem ersten Abschluß (graduate). Regelvoraussetzung für die Zulassung
zum
zweiten Zyklus ist der erfolgreiche Abschluß des ersten Studienzyklus,
der
mindestens drei Jahre dauert. Der nach dem ersten Zyklus erworbene Abschluß
attestiert eine für den europäischen Arbeitsmarkt relevante
Qualifikationsebene. Der zweite Zyklus sollte, wie in vielen europäischen
Ländern, mit dem Master und/oder der Promotion abschließen.
Einführung eines Leistungspunktesystems -ähnlich dem ECTS- als geeignetes
Mittel der Förderung größtmöglicher Mobilität der
Studierenden. Punkte sollten
auch außerhalb der Hochschulen, beispielsweise durch lebenslanges Lernen,
erworben werden können, vorausgesetzt, sie werden durch die jeweiligen
aufnehmenden Hochschulen anerkannt.
Förderung der Mobilität durch Überwindung der Hindernisse,
die der
Freizügigkeit in der Praxis im Wege stehen, insbesondere
für Studierende: Zugang zu Studien- und Ausbildungsangeboten und zu
entsprechenden Dienstleistungen;
für Lehrer, Wissenschaftler und Verwaltungspersonal: Anerkennung und
Anrechnung von Auslandsaufenthalten zu Forschungs-, Lehr- oder
Ausbildungszwecken, unbeschadet der gesetzlichen Rechte dieser
Personengruppen.
Förderung der europäischen Zusammenarbeit bei der Qualitätssicherung
im
Hinblick auf die Erarbeitung vergleichbarer Kriterien und Methoden.
Förderung der erforderlichen europäischen Dimensionen im Hochschulbereich,
insbesondere in bezug auf Curriculum-Entwicklung, Zusammenarbeit zwischen
Hochschulen, Mobilitätsprojekte und integrierte Studien-, Ausbildungs-
und
Forschungsprogramme.
Wir verpflichten uns hiermit,
diese Ziele - im Rahmen unserer institutionellen
Kompetenzen und unter uneingeschränkter
Achtung der Vielfalt der Kulturen, der
Sprachen, der nationalen Bildungssysteme
und der Autonomie der Universitäten -
umzusetzen, um den europäischen
Hochschulraum zu festigen. Dafür werden wir die
Möglichkeit der Zusammenarbeit
sowohl auf Regierungsebene als auch auf der Ebene
der Zusammenarbeit mit auf
dem Gebiet der Hochschulen ausgewiesenen
europäischen Nichtregierungsorganisationen
nutzen. Wir erwarten, daß die
Hochschulen wiederum prompt
und positiv reagieren und aktiv zum Erfolg unserer
Anstrengungen beitragen.
In der Überzeugung,
daß die Errichtung des europäischen Hochschulraumes ständiger
Unterstützung, Überwachung
und Anpassung an die sich unaufhörlich wandelnden
Anforderungen bedarf, beschließen
wir, uns spätestens in zwei Jahren wieder zu
treffen, um die bis dahin erzielten
Fortschritte und die dann zu ergreifenden Maß-
nahmen zu bewerten.