Diese Folien sind eine Zusammenfassung meines Aufsatzes:
Vagheit bei der Verwendung von Fachsprachen. In: L. Hoffmann/ H. Kalverkämper/H.E.Wiegand: Fachsprachen. Ein Internationales Handbuch zur Fachsprachenforschung und Terminologiewissenschaft. (Handbücher der Sprach- und Kommunikationswissenschaft). Band 1. Berlin 1998. S. 383 - 390.
Dieses weitverbreitete Fehlurteil (basierend auf der analytischen Philosophie des Jahrhundertbeginns) hat hauptsächlich drei Gründe:
Vagheit, von Ausdrücken "fachlicher Umgangssprache" abgesehen, wird in fachsprachlichen Texten nicht gesehen wird (anders Schmitt 1986)
Exaktheits- und Explizitheitsabsicht wird mit linguistischer, logischer oder kommunikativer Exaktheit einer Äußerung gleichgesetzt.
In Terminologiearbeit (Arntz/Picht 89) und Klassifikation wird sehr großer Wert auf eine zielgerichtete und methodische Vorgehensweise beim Aufbau einer Terminologie oder Nomenklatur gelegt wird, um Vagheit zu vermeiden.
Fachgebiete, die über eine gut organisierte und stabile Terminologie verfügen, sind damit nicht in allen Gebrauchsweisen exakt.
Es bestehen darübert hinaus auch begründete Zweifel daran, ob es überhaupt Äußerungen gibt, die per se exakt sind, wie die "Philosophie der normalen Sprache" deutlich gezeigt hat. P>
"Hat Abteilung 2b aufgehört, für dieses Produkt zu werben?" (Mit der Situation: Abt. 2b hat nie für irgendetwas geworben, denn es ist der Einkauf)
oder Sortenverstöße darstellen: "Ist das Lösungsmittel groß oder klein"
Derartige Äußerungen oder Fragen sind nicht vernünftig direkt zu beantworten. Meist reagiert man mit einer Rückfrage oder Richtigstellung: "Wie meinen Sie das? X hat doch gar kein Z"
Hund-Dackel, Schiff - Segelschiff
Dasselbe gilt von dem Gegensatzpaar "vage/allgemein". Vage ist: nicht präzise und allgemein ist: nicht spezifisch (Pinkal 1985a, 48)
Oft besteht sogar ein positiver Zusammenhang zwischen Verständlichkeit
und Vagheit:
In einer Fachdiskussion kann es nützlich sein, zur Herstellung
eines einheitlichen Kenntnisstandes zunächst sehr unbestimmt zu bleiben
und dann im weitern Verlauf der Diskussion durch Vereinbarungen zu präziseren
Formulierungen überzugehen.
"Ich nenne das jetzt einmal die Schmidt´sche Lösung 2"
Diese trichterartige Vorgehen innerhalb derselben Sprache wird gerade durch unscharfe, vage oder unexakte Ausdrücke ermöglicht.
Ist innovatives problemlösendes Sprachverhalten gerade mit dieser Fähigkeit verbunden?
(a) "Der Umbau der Anlage kostet mehr als 7000,- DM
(b) "Der Umbau der Anlage kostet etwas mehr als 7000,- DM"
(b) ist linguistisch und logisch gesehen unschärfer ("etwas mehr"), kommunikativ aber klarer, denn (b) schränkt den nach oben offenen Wahrheitsbereich von (a) ("mehr") zwar offen aber dennoch deutlich ein.
In einem Transfertext zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit kann ein wissenschaftlich exakter Ausdruck sogar zur Behinderung der Kommunikation werden.
Der Sprechakttyp ist nicht festgelegt.
"Wir werden im nächsten Jahr unsere Einnahmen um 5% steigern!"
Es ist nicht klar, ob das ein Versprechen, eine Warnung, eine Vermutung
oder ein Scherz ist.
Uninformativität:
Die Aussage ist so allgemein, daß sie keine sinnvolle Reaktion
erlaubt:
ist im wörtlichen Sinne uninformativ; meistens in übertragenem
Sinne zu verstehen ("Das Krankenhaus hat seine Pflichten am Patienten").
Uninformative Aussagen verstoßen gegen die Grice´sche Maxime,
nur so viel und so wenig Information zu geben, wie zur Zeit benötigt
wird.
Polysemie: "Gericht" ist ein polysemer Ausdruck in dem Sinne, daß er den Vorgang "zu Gericht sitzen", aber auch
heißt entweder:
In eher semantisch/logische Richtung geht das Beispiel:
"Alle Ärzte haben einen Feind"
Dort ist der Skopus von "alle" und "ein" unklar (jeweils einen oder alle zusammen einen einzigen).
Vergleichbare Ambiguitäten treten auch auf der Textebene auf: Kohärenzmerkmale sind nicht eindeutig und der Zusammen-hang zwischen zwei Sätzen kann somit unbestimmt sein.
ist ohne den Kontext einer konkreten Bestellung nicht eindeutig.
Elliptische Nachfragen: "den auch?"
(Pronomenauflösung und Aktion des Vorgängersatzes)
läßt offen, ob gegenüber einheimischen Hölzern oder gegenüber dem bisherigen Preis. Das ist typisch auch für den normalen Gebrauch von Steigerungsformen.
In Forschung und Entwicklung kommt diese Situation häufig vor. Begrifflichkeit und Terminologie eines Gebiets werden bei zunehmender Erkenntnis zwangsläufig porös. Der Begriff deckt also nicht mehr alle Erkenntnisse ab.
--> Reorganisation der Terminologie bis in höchste Ebenen.