DreiDiagnoseMethoden


von Alexis Pangalos:

Wissensrepräsentation Diagnose
1 Faktenbasiert Für Einzelbeispiele Durch Fehlerantizipation
2 Wissensbasiert Verallgemeinert (Beispielklassen) -"-
3 Modellbasiert -"- Durch Hypothesensimulation

Im folgenden werden drei Ansätze vorgestellt, wie die Diagnose von Schülereingaben in einem Sprachlehrsystem realisiert werden kann.

1 Faktenbasierter Ansatz:

Das am nächsten liegende ist, die Frage mit der zugehörigen Antwort abzuspeichern und "richtig" oder "falsch" zu antworten, je nachdem ob die Lösung getroffen wurde oder nicht. Besonders kommunikative Übungen lassen sich so nicht erstellen und es ist fraglich, ob schon von Diagnose gesprochen werden kann. In Vokabeltrainern ist diese Herangehensweise sehr verbreitet.

   solution[Aufgabe1,..., Lösung1]
   solution[Aufgabe2,..., Lösung2]
    
   ...
   solution[Aufgaben,..., Lösungn]

Eine eindeutige Zuordnung ergibt in vielen Übungsaufgaben sicher keinen Sinn, was schon am Beispiel des Vokabeltrainers deutlich wird. Vokabeln haben oft verschiedene Übersetzungen, die vom Kontext abhängig sind. Das führt zu einer einfachen Erweiterung des Systems. Man speichert zu einer Aufgabe mehrere Lösungen ab.

   solution-s[Aufgabe1, {Lösung11, Lösung12,..., Lösung1i}]
   solution-s[Aufgabe2, {Lösung21, Lösung22,..., Lösung2j}]

   ...
   solution-s[Aufgaben, {Lösungn1, Lösungn2,..., Lösungnk}]

Diese Erweiterung gibt dem Schüler die Möglichkeit in einem vorgegebenen Rahmen kreativ zu sein, was verwirrend sein kann. Da immer noch keine Diagnose falscher Schülereingaben möglich ist, wüsste der Schüler z.B. nicht ob seine Lösung nicht akzeptiert wurde, weil sie grammatikalisch nicht richtig war, oder weil sie keinen inhaltlichen Sinn ergab. Um dem gerecht zu werden muss das System ein weiteres Mal modifiziert werden: Es werden auch mögliche falsche Antworten mit abgespeichert. Zusätzlich gibt es zu jeder Antwort auch eine Erklärung. Im Fall einer richtigen Antwort könnte sie z.B. "Richtig" oder "Spitzenklasse" heißen, im Fall einer falschen z.B. "der Artikel ist falsch". Zusätzlich müssen natürlich noch all die Antworten abgefangen werden die vom Autor nicht berücksichtigt wurden, z.B. mit "Versuch's noch 'mal!". Es ist offensichtlich, dass es unmöglich ist alle Schülerfehler vorherzusagen.

   Solution[Aufgabe1, {(Lösung11, Erklärung11), (Lösung12, Erklärung12),..., (Lösung1i,Erklärung1i)}]
   Solution[Aufgabe2, {(Lösung21, Erklärung21), (Lösung22, Erklärung22),..., (Lösung2j,Erklärung2j)}]

   ...
   Solution[Aufgaben, {(Lösungn1, Erklärungn1), (Lösungn2, Erklärungn2),..., (Lösungnk,Erklärungnk)}]

Die Verbindung zwischen Übung und Lösung geschieht durch ein Prädikat. Da in wissensbasierten Systemen, die aus Fakten und Regeln bestehen, die Prädikate auch Fakten genannt werden, werden Systeme in der eben beschriebenen Form faktenbasierte Systeme genannt.

Vor- und Nachteile faktenbasierter Systeme

  • Ein Vorteil ist, dass differenzierte Kommentare möglich sind. Zu jeder Lösung kann eine beliebig genaue Erklärung abgegeben werden.
  • Ein Nachteil ist die Unvollständigkeit beim Vorhersagen falscher aber auch richtiger Antworten.
  • Kommunikativ anspruchsvolle Systeme führen zu einem explosionsartigen Anstieg des Arbeitsaufwandes.

2 Wissensbasierter Ansatz:

Eine weitere Möglichkeit zur Konzeption von Sprachlehrsystemen ist die Einführung wissensbasierter Systeme. Die Idee hierbei ist, anstelle des Speicherns von Einzelaufgaben bestimmte Fakten und Regeln zu speichern, so dass der Computer durch Anwendung dieser Fakten und Regeln (der Wissensbasis) herausfinden kann ob eine Schülereingabe richtig oder falsch ist. Bedingung für diesen Ansatz ist das die Regeln vollständig sind, d.h. wenn die Korrektheitsbedingungen alle getestet wurden, muss der Satz korrekt sein. Falls man auf eine Bedingung stößt die nicht erfüllt ist, ist die Schülerlösung falsch. Für diesen Fall müssen extra Diagnoseregeln (Falschregeln) gespeichert werden, die dann, sind sie erfüllt, für bestimmte Fehler stehen. Weitere Diagnoseregeln sind auch für falsche Wortreihenfolge, fehlende obligatorische Satzteile, falsche Wortarten usw. aufzunehmen.

Beispiel:

   Wissensbasis

   Fakten(Wörterbucheintragungen):
   known([the],det).
   known([man],noun).
   known([steve],name).
   known([book],noun).
   ...

   Regeln:
   rewrite(np,followed-by(det,noun)).
   rewrite(np,name)
   ...




   The man reads the book.

   *The steve reads the book.




   Diagnosefähig

   (Fehler)regeln:
   rewrite(np,followed-by(det,name)). (Fehler: Namen werden ohne Artikel benutzt!)

Alle realisierten Systeme legen ihrer Grammatik nur ein sehr kleines Teilgebiet der Sprache zu Grunde. Eine Erweiterung der Systeme ist problematisch, da mit zusätzlichen Satzgliedern der Umfang der Regeln aus kombinatorischen Gründen explosionsartig ansteigt. Versucht man nun das Regelwerk der Diagnose mit zu erweitern, wird einem schnell die Dimension des Arbeitsaufwandes bewusst. Die Leistungsfähigkeit der Systeme ist für Übungen auf Anfängerniveau geeignet, nicht darüber hinaus. Es ist zur Zeit noch nicht möglich den Schüler aufzufordern einen beliebigen Satz einzugeben, mit dem Anspruch eine sinnvolle Fehlerdiagnose liefern zu können. Das System würde nicht einmal erkennen, ob der Schüler das Teilgebiet der Sprache verlassen hat, oder ob der Fehler nur nicht vorhergesagt wurde. Man kann allerdings versuchen die Schülerlösung in einen Kontext einzubinden, um einer zu kreativen Eingabe vorzubeugen. Fragen zu einem Textstück oder Bild könnten eine Möglichkeit sein.

Vor- und Nachteile wissensbasierter Systeme mit Fehlerantizipation

  • Vorteil: Eine Verbesserung zum ersten Ansatz ist, dass bei vergleichbarem Arbeitsaufwand eine erhebliche Steigerung möglicher Schülereingaben erreicht wird.
  • Nachteilig ist die prinzipielle Unvollständigkeit die bei Fehlerantizipation auftritt.
  • Kommunikativ anspruchsvolle Systeme führen immer noch zu einem explosionsartigen Anstieg des Arbeitsaufwandes.

3. Modellbasierter Ansatz:

Der Verzicht auf die Fehlervorhersage bringt es mit sich, dass die Wissensbasis nur noch aus Fakten und Regeln besteht, die die Richtigkeit eines Satzes beschreiben. Die Fehlerregeln fallen weg. Eine solche Wissensbasis wird in der Terminologie der diagnosefähigen Sprachlehrsysteme auch als Modell bezeichnet. Die Diagnose von falschen Schülereingaben ist dann nicht mehr explizit in der Wissensbasis enthalten sondern muss aus den Korrektheitsbedingungen generiert werden. Um den modellbasierten Ansatz verfolgen zu können, müssen an das betreffende Teilgebiet der Grammatik zum Teil recht strenge Forderungen gestellt werden.

1. Das Teilgebiet muss sich regelhaft darstellen lassen. 2. Es muss sich zusätzlich vollständig und widerspruchsfrei darstellen lassen. 3. Für verständliche Fehlererklärungen müssen die Regeln in generalisierter Form vorliegen.

Für eine Schülereingabe wird nun zunächst geprüft, ob sie mit den Fakten und Regeln des System verträglich ist. Ist dies der Fall, handelt es sich um eine richtige Eingabe, sonst ist die Antwort fehlerhaft und eine Diagnose muss erstellt werden. In diesem Fall wird für jeden Eintrag P in der Wissensbasis nicht P angenommen und getestet ob die Fakten und Regeln nun alle erfüllt sind. Die Aussagen nicht P werden als Fehlerhypothesen bezeichnet. Ein Teil der erfolgreichen Fehlerhypothesen wird dann zur Fehlererklärung benutzt. Fehlerhypothesen werden auf Fakten- oder Regelebene generiert, so dass auch Fehlererklärungen auf Fakten- oder Regelebene entstehen.


   *des Schlüssel

   Aus den Wörterbucheintragungen ergibt sich:

   case[det,{gen}]  and  number[det,{sing}]   ...
   case[noun,{nom,dat,acc}]  and  number[noun,{sing}]   ...
   case[noun,{nom,gen,acc}]  and  number[noun,{plur}]   ...


   Regeln:

   agree[noun,det,case]
   agree[noun,det,number]
   agree[noun,det,gender]


   agree[noun,det,case]        und        agree[noun,det,number]
   können nicht gleichzeitig erfüllt werden.

   
   Fehlersimulation:

   Fehlerdiagnose (Regelebene)
   not agree[noun,det,case]    bzw.       not agree[noun,det,number]



   Fehlerdiagnose (Faktenebene)
   not case[noun,{nom,dat,acc}]   bzw.    not case[det,{gen}]

Vor- und Nachteile modellbasierter Systeme

  • Vorteil: Die prinzipielle Unvollständigkeit die bei der Fehlerantizipation auftritt, ist überwunden.
  • Nachteil: Die Forderung nach kommunikativ anspruchsvollen Systemen steht im Widerspruch zur regelhaften, widerspruchsfreien und vollständigen Darstellbarkeit des Teilgebietes.

MSS
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